Der 29jährige David Pruß leitet seit mittlerweile zwei Jahren den Hofer Zoo im Bürgerpark Theresienstein. Der gebürtige Rheinländer trat 2021 die Nachfolge von Sandra Dollhäupl an, die in den Zoos von Duisburg und Heidelberg neue Herausforderungen suchte. Pruß studierte und promovierte in Hannover und führt einen Doktortitel der Veterinärwissenschaften mit Schwerpunkt auf Reproduktion. Im Gespräch mit ProHof berichtet er von schönen Erlebnissen, aber auch von den Herausforderungen, denen er sich an der Alten Plauener Straße stellen muss.
Lieber Herr Pruß, nach zwei Jahren in Hof ist es Zeit für eine erste Zwischenbilanz: Sind Sie persönlich angekommen und wie ist Ihr Eindruck von Stadt und Region?
Persönlich bin ich samt Lebensgefährtin, Hund und Pferd sehr gut in der Region und der Stadt Hof angekommen. Wir genießen – idealerweise alle vier gemeinsam – die tollen Möglichkeiten der Region, um Zeit in der Natur zu verbringen. Auch die Nähe zu Tschechien mit der Chance auf tagelange, ungestörte Wandertouren schätzen wir sehr. Auch im Zoo-Team wurde ich sehr herzlich aufgenommen. Ich muss sagen: Ich kann mir kein besseres Team vorstellen, um gemeinsam die Mammutaufgabe anzugehen, die der Hofer Zoo mit sich bringt. Und auch die Oberfranken sind sehr freundlich und hilfsbereit, wenn sie einmal aufgetaut sind.
Wo lagen in den vergangenen Jahren ihre größten beruflichen Herausforderungen?
Die größten beruflichen Herausforderungen lagen und liegen sicherlich in der Struktur unseres Zoos, die wir Stück für Stück entwickeln wollen. In den vergangenen beiden Jahren habe ich einen umfassenden Überblick über Tiere, Personal und Gebäudestruktur gewinnen können. Während sich der Tierbestand in einem steten Wandel hin zu mehr Artenschutz- und Erhaltungszucht befindet, wurden sehr schnell viele Arbeitsprozesse umgestellt, um Angestellte zu entlasten und Besuchern einen Mehrwert bieten zu können.
95% der notwendigen tiermedizinischen Diagnostik und Eingriffe werden direkt im Zoo durchgeführt
Können Sie hier Beispiele geben?
Vielen Besuchern sind sicherlich die neu eingeführten Tierpflegergespräche bekannt. Auch versuchen wir dem Zoologischen Garten Hof auf nationalem Parkett wieder die Anerkennung zu verleihen, die er als einziger Zoo in Oberfranken verdient. Zudem haben wir im letzten Jahr die Möglichkeit geschaffen, 95% der notwendigen tiermedizinischen Diagnostik und Eingriffe direkt im Zoo durchführen zu können. Mit dem nun seit einem Jahr laufenden Projekt „Erinnerungstiere“ verschaffen wir den Senioren in Hofer Einrichtungen ein Stück Lebensfreude in ihrem Alltag. Bei diesem Projekt fährt ein Tierpfleger regelmäßig in die Einrichtungen und besucht – mit Tieren aus der Vergangenheit der Bewohner – diese oft nicht im Rampenlicht stehende Personengruppe. Unsere aufzugfahrenden Ponys, Alpakas und Schafe erreichen so auch Menschen, die nicht mehr in den Aufenthaltsraum gehen können, so werden Begegnungen direkt am Bett möglich. Auch unsere Ausbildungskooperation mit der REHAU AG, geschaffen um den Standort Oberfranken als Ausbildungsort für die junge Generation attraktiv zu halten, ist ein schönes Zeichen aus der lokalen Wirtschaft, dass der Zoo ein immens wichtiger weicher Standortfaktor für die Gewinnung von Nachwuchs und Fachkräften ist.
Das klingt ja hervorragend…
Ja und ich freue mich auch über Besucher, welche die positiven Veränderungen im Zoo bemerken. Die Glückwünsche leite ich natürlich immer an das Team weiter, denn der Betrieb ist stets eine Teamleistung. Allerdings: In der Zukunft wird sicherlich der massive Sanierungsstau die meiste Zeit, Energie und auch Geld kosten. Abgesehen von der Investition in die Australienvoliere und das Kassenhaus wurde leider seit der Landesgartenschau 1994 hauptsächlich der allmähliche Verfall verwaltet. Nach knapp 30 Jahren fallen uns deshalb aktuell sehr viele Probleme auf einmal auf die Füße.
Dennoch: Sie haben ja eine Einrichtung übernommen, die den Hoferinnen und Hofern sehr am Herzen liegt – spüren Sie diese Sympathie nicht auch an den Besucherzahlen?
Nicht nur den Hoferinnen und Hofern liegt der Zoo sehr am Herzen. Ein Beispiel: Mit jährlich ca. 75.000 Besuchern und deutlich steigender Tendenz brauchen wir den prozentualen Vergleich zwischen Einzugsgebiet und Besucherzahlen mit z.B. Hellabrunn in München nicht zu scheuen! 2024 hat unser Zoo 70-jähriges Jubiläum und wir wollen dieses Jubiläum im besten Fall mit einer Festwoche begehen, um Hof und den Oberfranken etwas zurückzugeben.
Trotz der großen Beliebtheit war der Hofer Zoo über die Jahre auch immer sehr klamm und kam so häufiger in die Schlagzeilen (auch ProHof e.V. leistete immer wieder diverse Spenden zum Erhalt der Einrichtung, Anmerk. der Redaktion). Wie ist der Zoo aktuell aufgestellt und ist der Bestand gesichert?
Zoos fahren grundsätzlich ja keinen Gewinn ein. Gute Tierhaltung kostet gutes Geld – schlechte Tierhaltung ist günstiger, erzeugt aber viel Tierleid und dieses wollen wir dringend vermeiden. Der Zoo kann heute nur aufgrund von Eintrittsgeldern, Spenden und Erbschaften existieren. Der Zuschuss von knapp unter 2 Euro pro Eintrittskarte seitens der Stadt Hof sichert die Möglichkeit in dieser Region sozialverträgliche Eintrittspreise bieten zu können. Durch Erbschaften, Spenden aus der Bevölkerung und Unterstützung durch Stiftungen können wir in diesem Jahr einige dringend nötige Bauprojekte verwirklichen. So wird zum Beispiel das Luchsgehege fertiggestellt.
Sie gelten als aktiver und engagierter Zooleiter. Gibt es Ideen, wie diese Situation nachhaltig zum Besseren verändert werden könnte?
Der Zoo und sein Betrieb funktionieren nur durch ein aufopferungsvolles und enthusiastisches Team. Um dauerhaft als touristische Destination und als nachhaltige Bildungseinrichtung in der Region bestehen zu können, muss sich der Zoo breiter aufstellen, expandieren und ein breiteres Publikum ansprechen. Pläne dazu gibt es bereits. Das ist aber nicht so einfach. Man stößt häufiger auf ein „das haben wir schon immer so gemacht“ bzw. ein „das haben wir noch nie so gemacht“. Das ist natürlich konfliktfreier, allerdings kann so kein Fortschritt entstehen und Stillstand bedeutet letztlich Untergang.
An was denken Sie dabei konkret – wie sieht Ihr Konzept genau aus?
Wir müssen uns schon flächenmäßig vergrößern, um den stetig steigenden Anforderungen an die Tierhaltung gerecht zu werden. Als Zoo wollen wir nie das Minimum zeigen, sondern als Vorbild dienen. Außerdem möchten wir unsere Zoo- und Umweltpädagogik deutlich ausbauen. Der zunehmenden Entfremdung der Kinder von der Natur und den Tieren müssen wir entschieden entgegentreten. Im Zooalltag erfahren wir immer öfter auch immer gravierendere Bildungslücken – nicht nur bei Kindern, sondern bei einer naturfremder werdenden Bevölkerung allgemein.
Zudem bin ich überzeugt: Mit einer Expansion könnten wir mittel- und langfristig auch wirtschaftlicher arbeiten, weil wir mehr Interessierte ansprechen könnten. Zusätzlich geht mit der Klimakrise auch ein noch nie dagewesenes Artensterben einher. Als Zoos bieten wir die Möglichkeit als Archen für Arten zu dienen.
Das wären gemessen an den letzten Jahrzehnten sehr mutige Veränderungen…
Eines ist gewiss: Ohne Veränderung und Innovation wird der Zoo, auch wenn es schmerzt, perspektivisch nur äußerst schwer weiterzubetreiben sein. Ich bin mir jedoch sicher, dass es im Interesse der Region ist, Lösungen zu finden. Erste Gespräche mit Vertretern der EU und Förderorganisationen machen mir da durchaus Mut.
Danke für das Gespräch.
Mit David Pruß sprach Rainer Krauß