
Die Hofer Wärschtlamänner feiern heuer 150. Jubiläum: Seit dem Jahr 1871 sind sie in Hof unterwegs und verkaufen ihre Wienerla, Knacker oder Bauern. Viel hat sich in den 150 Jahren geändert, aber das Erscheinungsbild der Wärschtlamänner mit ihrem typischen Messingkessel und dem großen Korb für die Brötchen ist immer gleich geblieben. Aus Anlass des Jubiläums stellen wir alle sechs derzeit in Hof aktiven Wärschtlamänner in einer Serie vor.
Weiter geht es mit Cetin Samat.
Seit genau 30 Jahren ist der 1965 geborene Cetin Samat im Lebensmittelbereich selbstständig. Auch als Wärschtlamo hatte er jüngst ein bedeutendes Jubiläum, denn im November 1995 war er erstmals mit dem Messingkessel in Hof unterwegs. Groß feiern konnte er seinen 25. Jahrestag als Hofer Wärschtlamo wegen des Corona-Lockdowns nicht, aber er verspricht: „Das wird nachgeholt, wenn alles vorbei ist!“
Die Beschränkungen haben den immer gut gelaunten Unternehmer nicht unterkriegen können. Da an seinem Stammplatz in der Altstadt die Laufkundschaft zu sehr zurückgegangen ist, hat er kurzerhand den Standort gewechselt. Während er im ersten Lockdown im Frühjahr auf seinem Grundstück in der Ascher Straße zu finden war, versucht er sein Glück nun in der Ludwigstraße gegenüber vom Schultor. Hier sind noch einige Fußgänger unterwegs, und immer wieder halten auch Autofahrer an, um sich schnell ihre Wärschtla zu holen.
Mobil zu sein und auf seine Kunden zuzugehen, das hat Cetin Samat im Blut. Denn er hat den Beruf des Straßenverkäufers von Kindesbeinen an kennengelernt. „Mein Vater war Markthändler, und als Kind habe ich ihn oft begleitet“, erzählt er. Dennoch hat er sich zunächst für einen Lehrberuf entschieden und fing nach der Schule bei der Textilgruppe Hof an. Im April 1991 nutzte er die Chancen, die die Grenzöffnung bot, und klapperte als Marktschreier die Wochenmärkte in den neuen Bundesländern Sachsen und Thüringen ab. „Das Verkaufen liegt mir einfach im Blut“, sagt er über diese Zeit.
Allerdings hatte das ständige Herumfahren auch seine Schattenseiten: „Ich kannte meine Kinder irgendwann nur noch schlafend“, erinnert er sich. Um wieder fest und auch tagsüber zu Hause zu sein, eröffnete er im Januar 1994 einen festen Imbiss am Obi in Hof, die „Schlemmerkantine“. Später kamen noch zwei weitere Imbisse dazu, die Cetin Samat aber wieder verkaufte. Im Spaß habe seine Frau damals gesagt: „Den dritten Imbiss bekommst du aber nicht zurück, der gehört jetzt mir.“ Worauf er geantwortet habe: „Dann werde ich eben Wärschtlamo.“
Aus dem Jux sollte schließlich ernst werden. Cetin Samat beantragte bei der Stadt Hof die Lizenz, um als Wärschtlamo tätig zu sein. Zeitgleich sei ihm damals ein Jobangebot im Textilbereich ins Haus geflattert. Aber er entschied sich, dem Straßenverkauf treu zu bleiben, und wurde einer von damals neun Wärschtlamännern. Für die ersten drei Tage bezog er Posten an der Marienkirche, doch dort zog es so sehr, dass er Ohrenschmerzen bekam. Also suchte er sich einen neuen Standplatz und landete zunächst in der Ludwigstraße, und zwar gar nicht weit von seinem heutigen Corona-Ausweichstandort. Erst später fand er seinen langjährigen Stammplatz am Kaufhof.
An dieser zentralen Stelle hat Cetin Samat im Lauf der Jahre sehr viel erlebt. Schön sei es immer gewesen, verloren gegangene Kinder aufzusammeln und ihren Eltern zurückzugeben. Aber auch an ein schreckliches Erlebnis erinnert er sich: „Einmal absolvierte die Bundeswehr eine Abseilübung vom Kaufhof zur anderen Straßenseite. Einer der Soldaten stürzte ab und schlug direkt vor meinem Kessel auf.“ Zum Glück sei dem Mann nicht viel passiert. Zuletzt nutzte Cetin Samat seinen Standplatz, um die Abbrucharbeiten am Kaufhof zu fotografieren und im Internet zu dokumentieren. „Ich habe alle Bilder noch gespeichert“, sagt er. „Falls jemand sie haben will, um zum Beispiel einen Zeitrafferfilm des Abrisses zu erstellen, kann er sich gern an mich wenden.“
Cetin Samat engagiert sich auch in vielerlei Weise ehrenamtlich. So ist er seit 1995 ununterbrochen in Elternbeiräten aktiv, angefangen vom Kindergarten über die Grundschulen bis hin zum Jean-Paul-Gymnasium, wo aktuell seine jüngste Tochter die elfte Klasse besucht. Mit dem Wärschtlakessel ist er nicht nur in den Straßen Hofs unterwegs, man kann ihn auch für Feste und Veranstaltungen buchen. Wenn besonders viele Gäste zu verköstigen sind, kommt seine Frau auch schon mal mit einem zweiten Kessel dazu.
Die beiden sehen sich als Arbeitstiere und wollen so schnell nicht in den Ruhestand gehen. „Natürlich denke ich immer mal daran, wie es in ein paar Jahren sein wird, immer noch bei Wind und Wetter im Freien zu stehen“, sagt er. Aber er liebe seine Arbeit und sei stolz darauf, als Wärschtlamo einem angesehenen Hofer Berufsstand anzugehören. Deshalb verspricht Cetin Samat: „Solange ich gesund bleibe, möchte ich gerne auch noch mit 70 als Hofer Wärschtlamo unterwegs sein.“ Manfred Köhler