
Einen großen Teil seiner Zeit verbring Lucian Roucka mit jungen Menschen – egal ob in seinem Beruf als Erzieher oder in seiner Weng Chu Schule in Hof. Doch das ist noch nicht alles: auch im internationalen Filmbusiness kennt man ihn.
Seine berufliche Laufbahn hat Lucian Rocka als Koch begonnen. Anschließend machte er bei der Bundeswehr eine Ausbildung zum Feldwebel – nach der man sich eigentlich eine Zeitlang verpflichten muss und als Vorgesetzter Personal führt. „Die Vorstellung, dass ich die nächsten zwölf Jahre durch ein Zielfernrohr schauen muss, hat mich dann aber abgeschreckt“, erzählt er.
Die Arbeit mit jungen Menschen habe ihm jedoch Spaß gemacht. In dieser Zeit habe er einen Fernsehbeitrag über Jugendliche gesehen, die in speziellen Camps – sogenannten Bootcamps – von der Straße weggeholt wurden. „Der Bericht brachte mich auf die Idee, die Fähigkeiten eines Ausbilders der Bundeswehr zusammen mit Kung Fu anzuwenden, um jungen Menschen zu helfen, auf die richtige Bahn zu gelangen“, berichtet er weiter. Roucka verließ die Truppe und begann im Landkreis Hof eine neue Ausbildung: zum Erzieher.
Neben seinen beruflichen Tätigkeiten trainierte Roucka Karate, Judo und Kung Fu – und das bereits seit seiner Kindheit. „Mein Onkel André war schuld“, erzählt Roucka lächelnd. „Er hat mir geholfen, meinen Mut zu finden.“ Denn er sei als Kind nicht gerade beliebt in der Schule gewesen. „André schaute mit mir die Filme der 80er mit Bruce Lee und anderen, anschließend gingen wir in den Garten oder in den Wald und haben trainiert.“
Nach zwölf Jahren des Trainings von Kung Fu sei der Wahl-Hofer schließlich auf „Weng Chun“ gestoßen, eine Kung Fu-Variante, deren Ursprung in den Shaolin-Tempeln Südchinas liegt. „Hier wurde das trainiert, was mich schon als Kind an der Kampfkunst fasziniert hatte. Ich begann also meine Ausbildung von vorne und eröffnete drei Jahre später meine Kung Fu Academy in Hof“, berichtet Roucka. Später habe er dann noch die Ausbildung zum Anti-Gewalt-Trainer absolviert.
Im Weng Chu Kung Fu gehe es darum, sich gut zu bewegen, gesund zu bleiben und zum Beispiel die Balance zu halten. Das Konzept komme aus der Selbstverteidigung, erklärt Roucka, doch sei es noch viel mehr als das. Deshalb spreche er auch lieber von „Kampfkunst.“ Man dürfe dabei kein Einzelkämpfer sein, sondern solle „seine Lebensenergie mit dem anderen teilen.“ Die Teilnehmer in seinen Kursen suchten zwar zunächst nach Kampfsport, doch ihrem Lehrer geht es um viel mehr: „Menschen sollen in ihrer Individualität wachsen und ihr Potenzial entwickeln.“
Menschen in ihrer individuellen Entwicklung begleiten: Das macht der 41-Jährige auch in seinem Hauptberuf bei der Diakonie Hochfranken. Im Haus „Ponte“ am Bahnhofsplatz in Hof, einer Einrichtung der stationären Jugendhilfe, kümmert er sich um Jugendliche, die hier ein neues Zuhause gefunden haben. Auch wenn die jungen Menschen 18 Jahre alt werden und aus den Wohngruppen der Diakonie ausziehen, unterstützt Roucka sie bei der Wohnungssuche oder in schulischen und finanziellen Dingen. Das macht er in Teilzeit, in 30 Stunden in der Woche. Aber das ist noch nicht alles …
Wenn man nach Lucian Roucka im Internet sucht, stößt man noch auf ein weiteres Standbein, im wahrsten Sinne des Wortes: „Lucian Roucka, Stuntman, Hof“ steht da als erster Eintrag in der Suchmaschine. Wie das? Ein Freund habe ihn in der Kampfkunst vor und hinter der Kamera ausgebildet. „Ich bin vor allem ein großer Typ, der ganz gut kämpfen kann, ob als böser Dämon, Schläger, bulliger Pfleger oder Cowboy im Wilden Westen“, erklärt der zweifache Vater die Rollen, die er bisher gespielt habe – unter anderem im „Tatort“ und bei anderen bekannten Fernsehproduktionen, die aber noch nicht abgeschlossen sind und deshalb nicht verraten werden sollen.
Die meisten Jobs seien in ein paar Tagen abgedreht. Was aber richtig Spaß mache, sei das Versinken in die Filmarbeit über mehrere Wochen. „So konnte ich zwei Wochen mit Keanu Reaves am Set stehen oder einen Monat in Malta verbringen, um dort in verschiedene Figuren zu schlüpfen“, berichtet Roucka. „Der Höhepunkt war aber der Film mit dem Titel Black Creek, hierfür durfte ich drei Wochen nach Arizona in die USA, um einen Cowboy in einem Kung Fu-Western zu spielen.“
2024 kam Black Creek ins Kino, Ende des Jahres sei Roucka in Hollywood zur Premiere eingeladen gewesen. Einen Tag später sei er dann gemeinsam mit vielen prominenten Persönlichkeiten auf dem roten Teppich in der Hall of Fame in Los Angeles gestanden. Manchmal fühle es sich noch wie ein Traum an, der durch glückliche Umstände gelebt werden kann. „Ohne die Hilfe von Freunden und Menschen, die an einen glauben, würde es sicher nicht gelingen“, ist Lucian Roucka überzeugt. Und er denkt schon wieder weiter, habe selbst ein Drehbuch geschrieben und wolle daraus seinen ersten eigenen Film machen. „Hier werden auch einige Trainingsmethoden meines Onkels eine Rolle spielen.“ Claudia Schott