Vermutlich war er manchmal ganz froh, wenn er seine Baustellen kontrollieren konnte; denn seine geliebte Frau Marie hatte ihm zwei gesunde und aufgeweckte Buben geschenkt: Fritz und Robert, ein und zwei Jahre alt. Doch so leicht konnte der Stadtbaurat Gottlob Thomas den familiären Pflichten nicht entfleuchen. Denn seine Frau konnte ihn von ihrem Fenster aus auf dessen Baustelle beobachten. Denn frisch vermählt waren die beiden in eine hübsche, sonnige Wohnung am Gymnasiumsplatz eingezogen, direkt an seinen Baustellen – und die gab es im wahrsten Wortsinn vorne und hinten!
Vorne baute er ein Gymnasium (das heutige Jean-Paul) und hinter ihm entstand die erste Hofer Turnhalle. Denn wo sonst sollte die sein, als in der Nähe der Kinder für deren Sportunterricht? War vorher die Platzfrage des Gymnasium-Neubaus einfach zu lösen, nämlich durch den Abriss der längst unnütz gewordenen Stadtmauer, wurde es jetzt eng. Es mussten nämlich Gebäude weichen. Und welche könnten besser geeignet sein, als die eh schon 300 Jahre alten maroden Teile eines ehemaligen Klosters? Sie mussten weg für die schicke neue Turnhalle. Und die ehemaligen Klostergärten wurden zum hochmodernen Turnplatz im Freien umgestaltet mit Barren, Reck, Weitsprunganlage und Toiletten.
Was seine Turnhalle anbelangt, fand am 20. September 1868 der feierliche Einzug statt. Viel Bedeutenderes als dieses freudige Ereignis war ein paar Monate zuvor passiert. Im Mai schenkte Marie ihm ein drittes Söhnchen, den Karl. Gottlob konnte mit drei Kindern garantiert ein Lied davon singen, wie diese den ganzen Tag rumtollen wollen. Ihrem natürlichen Bewegungsdrang zu begegnen, dafür war auch im Schulunterricht Sport vorgesehen.
Es gab zwar so etwas wie einen Turnplatz in Hof, allerdings anfänglich nur eine Scheune an der Nailaer Straße, dann eine Wiese zwischen Oberer Steinerner Brücke, Saale und Mühlgraben. Um die Turngeräte im Freien zu erhalten, verlangte die Stadt von den Schülern zudem einen Unkostenbeitrag und der Platz konnte logischerweise nur im Sommer benutzt werden. Damals fiel übrigens noch Schnee im Winter. Alles nicht ideal!
Am 28. August 1867 wurde daher endlich der Grundstein für einen Turnhallenbau gelegt, ein Jahr später am 15. September 1868 stand der schmucke Bau und Gottlob wurde zum Ehrenmitglied des Turnvereins ernannt. Anlage und Einrichtung galten als mustergültig. Die magische Strahlkraft seiner Turnhalle trieb ausgefallene Blüten. So gab es mal eine Zeit, in der durch die Eingangstüre keine Kinder und Turner in Sportklamotten gingen, sondern Polizisten, die davor in olivgrünen VW-Käfern parkten. Inspektion Lauenstadt war eine Krimiserie, die 1976 im Ersten Programm lief (und dann nie wieder…). Es drehte sich um Kriminalfälle in der bayerischen Provinz, nämlich in der fiktiven fränkischen Provinzstadt Lauenstadt. Dort sah sich der verwitwete Kriminalamtsrat Zapf mit Mord, Diebstahl, Raub, Erpressung und Betrug konfrontiert. Spätere Stars hatten dort Gastauftritte wie Sänger Marius Müller-Westernhagen oder „Monaco Franze“ Helmut Fischer. Das war vermutlich die seltsamste Zeit, die die Turnhalle erlebte.
Mit der Eröffnung der Rudolf-Lion-Turnhalle wurde es still um Gottlobs „Muckibude“. Aktuell trainiert in der betagten 480 Quadratmeter großen Halle nur noch die 1. Hofer Karnevalsgesellschaft Narhalla.
Roland Eichhorn; Verschönerungsverein Botanischer Garten, Theresienstein und Hof e.V.
Bild: Ob Gottlob Thomas die aufgereihten Abfall-Container vor seiner Turnhalle gefallen hätten? Im Giebel ist das Turnerkreuz, das Symbol der deutschen Turnbewegung um Turnvater Jahn, erkennbar, bestehend aus vier „F“ ihrem Motto entsprechend: Frisch, fromm, fröhlich, frei.