Der Hofer Bürgermeister Münch staunte nicht schlecht, als ihm an einem Juli-Sonntag anno 1860 ein stattlicher, elegant gekleideter, 1,80 m großer Herr mit gepflegtem Bart und stechendem Blick die Aufwartung machte. Der Fremde sprach fränkisch, aber mit einem eigenartigen Dialekt. Als dieser sich vorstellte, wurde Münch klar, wer vor ihm stand. Hatte er doch wenige Tage zuvor die Bewerbungsunterlagen eines gewissen Gottlob Thomas auf seinem Schreibtisch, der sich um die ausgeschriebene Stelle eines Stadtbaurats in Hof bewarb. Wie der Fremde erklärte, wäre er extra von Würzburg angereist, um seiner Bewerbung persönlich Nachdruck zu verleihen.
Seine Zeugnisse waren überragend. Im Gepäck hatte er die besten Meriten mit Bahnhofs-Neubauten in Würzburg und Schweinfurt, diversen Industriebauten und Lehraufträgen. Was kann da noch schiefgehen? Jede Menge! Am 21. September 1860 stimmten von den 26 Hofer Stadträten 21 gegen ihn. Schließlich war sein Mitbewerber ein Hofer Lokalpatriot – Maurermeister Raab!
Warum will ein in Würzburg lebender Sachse eigentlich unbedingt nach Hof? Nach außen hin war Gottlob in Würzburg angekommen: Er arbeitete dort seit acht Jahren auf diversen Baustellen, hatte es als „Ausländer“ aus dem Herzogtum Sachsen-Meiningen geschafft, das Bürgerrecht zu bekommen. Er leistete als „Schütze Thomas“ seinen Wehrdienst, gehörte dem Evangelischen Gesellenverein an und pflegte zu Mittag im „Hirschen“ Maultaschen zu essen (aber nur sonntags!). Doch seine Karriere hatte bei näherem Hinsehen auch Schattenseiten: Eigentlich hangelte er sich nur von einem Bauauftrag zum nächsten, versuchte sich als Privatlehrer, ging sogar nochmals ohne Bezahlung in ein zweijähriges berufsbegleitendes Praktikum.
Doch es beschleicht einem das vage Gefühl, dass noch mehr dahintersteckte als die wechselnden Jobs. Selbst 165 Jahre später können wir den wahren Grund nur erahnen, woran Gottlob litt: unerfüllte Liebe. Gottlob war ein ernster Mensch, der Vergnügungen mit dem anderen Geschlecht selten erlebte. Wo kann er, der Arbeitswütige, wenigstens so etwas ähnliches wie familiäre Geborgenheit und häusliche Wärme finden? Die Antwort lag ganz nah. Bei sich zu Hause in Person von Julie Wittmann, der verwaisten ledigen Tochter eines bayerischen Beamten. Bei ihr war er als Untermieter eingezogen, als er nach Würzburg kam. Und es sollte nicht beim „Mietverhältnis“ bleiben. Im Gegensatz zu heute war Gottlobs Beziehung zu einer älteren, alleinstehenden Dame für die damalige Zeit geradezu skandalös. Sie war 56 Jahre alt und Gottlob 21 Jahre jünger, nämlich 35. Er hegte noch einen Kinderwunsch, den ihm nur eine jüngere Ehefrau erfüllen könnte. Gottlob fühlte sich anno 1860 privat und beruflich in einer Sackgasse.
Dann stolperte er zufällig beim Zeitungslesen am Frühstückstisch über eine Stellenausschreibung der Stadt Hof, die einen Stadtbaurat suchte. Vielleicht fiel sein Blick beim Durchblättern der Zeitung gar nicht sofort auf das Hofer Inserat. Uns ging es jedenfalls so, dass wir zuerst das süße kleine Hündchen sahen, das daneben abgebildet war!.Es war seinem Herrchen entlaufen und gegen gutes Trinkgeld in der Wirtschaft abzugeben. Jedenfalls sollte der 4. Juni 1860, ein Montag, der alles entscheidende Wendepunkt in seinem Leben werden. Gottlob bewarb sich in Hof.
Wie es dazu kam, dass er trotz der 21 Gegenstimmen Stadtbaurat in Hof wurde, erfahren Sie im nächsten ProHof-Magazin.
Roland Eichhorn; Verschönerungsver-ein Botanischer Garten, Theresienstein und Hof e.V.