„Der Herbst 1989 war die schönste Zeit meines beruflichen Wirkens“, erzählt Jürgen Stader, Mitarbeiter der Stadtverwaltung Hof, Organisator der Deutsch-Deutschen Filmtage, und Vorsitzender des Bundes der Berliner und Freunde Berlins. 1981 hatte Stader seinen Dienst bei der Stadt Hof angetreten; 1985 kam er ins Hauptamt. „Doch was im Herbst 1989 geschah, hätte sich niemand auch nur vier Wochen vorher vorstellen können.“
Die Grenzöffnung samt ihren Folgen beschäftigt und bewegt den Hofer bis heute – beruflich wie privat: „Was für ein Glücksgefühl, dass die Generation, die die deutsche Teilung miterleben musste, sich plötzlich über die Wiedervereinigung freuen durfte!“ Hof war im Mittelpunkt des Weltgeschehens, in der Stadtverwaltung herrschte Ausnahmezustand. Es gab keine Erfahrung, keinen Plan und keine Vorschriften mehr – und erst recht keine festen Arbeitszeiten. Es galt, Menschen zu helfen, so unbürokratisch und schnell wie nur möglich, und eine Ausnahmesituation zu meistern. Für Jürgen Stader begann ein „Herbstmärchen“, das sich in sein Gedächtnis eingegraben hat, und an dem er auch nachfolgende Generationen teilhaben lassen möchte.
Gedenktage feiern
Um die Erinnerungen wach zu halten, Gedenktage zu feiern und die Partnerschaft mit der Nachbarstadt Plauen zu pflegen, investierte und investiert Jürgen Stader viel Zeit und Fantasie. 2009, zum 20. Jubiläum der „Prager Züge“, ließ er noch einmal Züge aus dem Osten im Hofer Hauptbahnhof einfahren. Zu dem Lied „One moment in time“, gespielt von der Zollkapelle, durchbrachen die „Züge in die Freiheit“ eine von der Feuerwehr installierte Wasserwand, in Szene gesetzt von einer Lichtinstallation des Technischen Hilfswerks. Gänsehaut und Tränen bei den Besuchern – fast wie 20 Jahre zuvor.
Legendär auch der Trabbi-Konvoi zum Jubiläum der Grenzöffnung im Jahr 2014, der es sogar in die Tagesschau geschafft hat. 220 Trabbis fuhren, gefeiert von rund 5000 Zuschauern, gemeinsam über die Grenze – allen voran der, der auch 25 Jahre zuvor als erstes die Grenze passiert hatte. Gefeiert werden jedoch nicht nur die runden Jubiläen: Alle Jahre wieder organisiert Jürgen Stader im Herbst Ausstellungen, Vorträge und Veranstaltungen. Wo immer möglich spielen dabei Zeitzeugen eine große Rolle – „doch allzu viele gibt es inzwischen nicht mehr“.
Umso wichtiger ist es, dass die deutsch-deutsche Geschichte nicht in Vergessenheit gerät. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten auch die Deutsch-Deutschen Filmtage, die Jürgen Stader gemeinsam mit seiner Plauener Kollegin Steffi Behncke ins Leben gerufen hat, und die heuer zum 14. Mal stattfinden.
Jedes Jahr im November widmen sich im Central-Kino Hof und im Capitol Kino Plauen interessante Filme und ein hochkarätiges Rahmenprogramm verschiedenen Facetten der deutschen Teilung und Wiedervereinigung. Immer wieder holen die Veranstalter auch Polit-Prominenz ins Boot – wie den ehemaligen Innenminister Rudolf Seiters, den ehemaligen Bundestags-Präsidenten Wolfgang Thierse oder Wolfgang Schäuble, der im vergangenen Jahr im Rahmen der Deutsch-Deutschen Filmtage seinen letzten öffentlichen Auftritt vor seinem Tod hatte.
Schäuble habe weder Honorar noch Fahrgeld verlangt und, wie erst später klar wurde trotz angeschlagener Gesundheit, einigen Terminstress auf sich genommen, um bei der Veranstaltung in Hof dabei sein zu können. Jürgen Stader sagt: „Ich habe erst im Nachhinein begriffen, was diese Fahrt für ihn bedeutet hat: Er ist gekommen, weil es ihm eine Herzensangelegenheit war, zu zeigen, was ihm die Grenzöffnung bedeutet hat.“
Traumberuf
Ein Anliegen, das Jürgen Stader und Wolfgang Schäuble eint. Zwar hat Stader mit diesen Veranstaltungen seinen Beruf zum Traumberuf gemacht: „Das sind Erlebnisse, die ich als ,normaler‘ Beamter niemals gehabt hätte. Und jede Minute, die ich dafür investiert habe, war es wert.“ Doch das Anliegen dahinter ist ihm weit wichtiger als der Spaß an der Arbeit und wird ihn auch über die bald anstehende Verabschiedung in den Ruhestand hinaus beschäftigen: „Das ist mir keine Dienstaufgabe, sondern eine Lebensaufgabe: Wir sollten nicht aufhören, zu feiern, dass der Freiheitswille über die Diktatur triumphiert hat, und dass die Demokratie sich durchgesetzt hat!“ Sandra Langer
Heuer gilt es in Hof 35 Jahre Grenzeröffnung und Mauerfall zu feiern. Infos zu dem umfangreichen Veranstaltungsprogramm, das sich mit Vorträgen, Kunstaktionen, Ausstellungen, Führungen und Ausflügen bis in das Jahr 2025 hinein erstreckt, gibt es auf der Homepage der Stadt Hof unter https://www.hof.de/news/erinnerungswochen-35-jahre-grenzoeffnung.
Die Deutsch-Deutschen Filmtage finden heuer von Freitag, 15. November, bis Mittwoch, 20. November, statt. Das Programm wird zu gegebener Zeit unter www.hof-plauen-89.de veröffentlicht.
Foto: Andreas Rau