Ist er Schauspieler? Regisseur? Moderator? In jedem Fall ist er jemand, der sich gerne ausprobiert. Und der tut, was ihm Freude macht – und wenn’s ein Praktikum in der Pathologie oder ein Amt als Juror bei der Luftgitarren-WM in Finnland ist. Aktuell fungiert der Wahl-Hofer Philipp Brammer als alter und neuer Dramaturg im Schauspiel am Theater Hof.
Als im vergangenen Jahr Thomas Schindler in Rente ging, übernahm Philipp Brammer zunächst vorübergehend; immerhin war bereits klar, dass in absehbarer Zeit auch der Intendant wechseln wird. „Das war ein Feld, das mir noch fehlte“, erzählt Brammer, der zuvor bereits als Schauspieler und Regisseur in Hof tätig war, „und es hat mich sehr gereizt.“ Inzwischen steht fest: Der Nachfolger von Intendant Reinhardt Friese möchte Brammer als Dramaturg behalten. „Anscheinend bin ich gar nicht so schlecht.“
„Mein Job findet überwiegend im Hintergrund statt und ist doch ein sehr wichtiger. Weil sonst viele Leute aneinander vorbeireden würden.“
Humor und Vielseitigkeit zeichnen den 47-Jährigen aus, der zur Berufsorientierung Praktika in der Pathologie absolvierte, sich dann jedoch für Theaterregie entschied, und noch vor Ende des Studiums auf verschlungenen Pfaden als Schauspieler am Wiener Burgtheater landete – „obwohl ich das nie vorgehabt habe“. Die Arbeit auf der Bühne hat Philipp Brammer gefallen, und so kam es, dass er an verschiedenen freien Produktionen mitwirkte und unter anderem auch Luftgitarren-Events moderierte, was ihm wiederum einen Job als Juror bei der Luftgitarren-WM in Finnland einbrachte. Nach Hof kam er, nach einem Engagement am Landestheater Niederösterreich, erstmals als Schauspieler für das Stück „Ladies Night“ vor gut zehn Jahren; später auch als Regisseur. „Von da an habe ich immer wieder in Hof gastiert. Und bin irgendwann hergezogen.“
Was sind nun seine Aufgaben als Dramaturg? „Klugscheißern“, sagt Brammer und grinst. Um dann zuzugeben, dass es doch um eine Menge mehr geht. Seine Arbeit beginnt gleich nach der Auswahl des Stücks mit dem Organisieren der Aufführungsrechte. „Ich arbeite eng mit dem Regie-Team zusammen“, erklärt der Dramaturg. Gemeinsam werde entschieden, welche Richtung das Stück nehmen soll, und welche Fassung bestellt wird. Bisweilen muss mit den Rechte-Inhabern verhandelt werden, ob und in welchem Umfang Änderungen vorgenommen werden dürfen.
So manche Aufgabe klingt banal: Es müssen beispielsweise genug Textbücher für alle Mitwirkenden vorhanden sein. Andere Tätigkeiten erfordern diplomatisches Geschick: „Ich fungiere sozusagen als Korrektiv.“ Nachdem Regie-Team und Darsteller gemeinsam an dem Stück gearbeitet haben, ist Philipp Brammer der Erste, der „von außerhalb“ dazukommt – und ein Auge darauf hat, ob der Weg, den die Produktion nimmt, zum ursprünglichen Konzept passt.
Bindeglied
Brammer ist auch Bindeglied zwischen Theaterleitung und Regie-Team. Befindet die Theaterleitung beispielsweise ein Stück für zu lang, ist er derjenige, der die „frohe Botschaft“ überbringt, dass gekürzt werden muss. „Mein Job findet überwiegend im Hintergrund statt und ist doch ein sehr wichtiger. Weil sonst viele Leute aneinander vorbeireden würden.“ Bisweilen, erklärt der 47-Jährige, werden die Dramaturgen als „Polizei des Theaters“ bezeichnet, „im positiven Sinne und natürlich ohne Strafandrohung.“ Neben einem breiten Wissen an Theatergeschichte und viel Erfahrung braucht es auch ein Händchen im Umgang mit Menschen und Offenheit für Neues. „Als Schauspieler habe ich festgestellt: Oft waren die Stücke, mit denen ich zunächst aufgrund von Unkenntnis nichts anfangen konnte, die besten.“
Die Zuschauer kommen mit Philipp Brammers Arbeit in Berührung, wann immer sie ein Programmheft eines Schauspielstücks in den Händen halten: Der Dramaturg zeichnet für Bildauswahl, Texte und Stückzusammenfassung verantwortlich. Auch an der Vorbereitung von Matineen oder Sonderveranstaltungen ist Philipp Brammer beteiligt.
Favorit Hamlet
Zwar sei es ihm wichtig, jedes Stück mit gleicher Empathie und gleichem Ernst anzugehen und zu jedem Stoff den richtigen Zugang zu finden. In dieser Saison freut sich Brammer jedoch besonders auf den „Hamlet“, „zu dem Reinhardt Friese einen tollen Zugang gefunden hat, der so noch nie deutlich wurde“, und auf „Tell Me on a Sunday“, „ein kleines, aber feines Webber-Musical im Studio mit einem Bogen, den zu erarbeiten viel Freude gemacht hat.“
Zurück zu den Wurzeln heißt es für Philipp Brammer ab November, wenn er „Timetraveller‘s Guide to Donbas“, eine deutsche Erstaufführung einer jungen ukrainischen Autorin, inszeniert. „Eine hochspannende Aufgabe, vor allem, weil man bei einer Erstaufführung dem Werk noch sehr verpflichtet ist“, schwärmt der vielseitig Talentierte. „Und obwohl es vom Krieg handelt, ist es ein sehr poetisches Stück.“
Was sieht der Privatmensch Philipp Brammer selbst gerne im Theater an? Wider Erwarten muss er nicht lange überlegen: „Geschichten, die mit Zwischenmenschlichem zu tun haben. Wo das Spannende zwischen den Figuren passiert und nicht in den Charakteren begründet liegt.“ Geschichten, die das Leben schreibt eben. Text und Foto: Sandra Langer