45 Jahre lang hat Ingrid Koschel aus Martinlamitz als Sekretärin bei der evangelischen Kirche gearbeitet; im März geht sie in den Ruhestand. Was sich in all den Jahren verändert hat, erzählt sie hier.
„Bei meinem Vorstellungsgespräch 1978 wurde ich nach meinem Konfirmationsspruch gefragt“, erzählt Ingrid Koschel schmunzelnd. Das sei heute natürlich nicht mehr üblich. Gelernt hatte die junge Frau Steuergehilfin, bis sie von einer freien Stelle beim evangelischen Dekanat Hof erfuhr und prompt genommen wurde. „Damals mussten die Stellen noch nicht so ausführlich ausgeschrieben werden wie heute“, erzählt sie. Angefangen hat sie aber nicht nur beim Dekanat, sondern auch als Pfarramtssekretärin der Gemeinde St. Michaelis – zwei Aufgaben, die damals noch mehr miteinander zu tun hatten als heute.
Dekanat und Gemeinde inzwischen getrennt
Denn bis vor Kurzem war der Dekan auch Pfarramtsführer der Gemeinde Sankt Michaelis. Inzwischen ist der jetzige Amtsinhaber Andreas Müller „eigentlich ein normaler Pfarrer“, wie Ingrid Kosche sagt. Der Dekan hält Gottesdienste, Taufen und Trauungen, hat aber mit der Geschäftsführung der Gemeinde nichts mehr zu tun. Früher seien Dekanat und Gemeinde St. Michaelis eigentlich immer als eine Einheit gesehen worden – heute seien die Abläufe strikt voneinander getrennt. Das sei noch verstärkt worden durch die Bildung eines gemeinsamen Pfarramtes der beiden Gemeinden St. Michaelis und St. Lorenz. Dekan Andreas Müller habe jedoch alle 26 Kirchengemeinden im Bezirk Hof im Blick; ein neuer Schwerpunkt sei dabei die sogenannte Regionalisierung, also die verstärkte Zusammenarbeit von Gemeinden.
Ingrid Koschel war zwar all die Jahre auch Ansprechpartnerin für die Gemeindeglieder von St. Michaelis, gestaltete Osterkerzen für die Kirche oder machte Süßspeisen für den Mitarbeiterdank. Offiziell jedoch war sie seit der Geburt ihres ersten Kindes 1983 aber nur noch für das Dekanat zuständig. Dort war sie nicht nur Sekretärin, sondern auch Reiseplanerin für Dekan Saalfrank und Organisatorin und Berichterstatterin von mehr als zwanzig Radreisen, die Pfarrer Eberhard Bunzmann 1995 ins Leben gerufen hatte. „Die schönste Tour ging in die Schweiz“, erzählt Ingrid Koschel, die bis auf eine alle Touren gemeinsam mit ihrem Mann mitgeradelt ist. Mit der Zeit fertigte sie ausführliche Reiseberichte mit Fotos und Beschreibungen der einzelnen Tagesetappen an – alles Dinge, die sie mit großer Freude in ihrer Freizeit gemacht hat, genauso wie das Buchen der Unterkünfte und andere Vorbereitungen fürs Radfahren in der Gruppe.
Früher familiär geprägt
Rein dienstlich dagegen war die Organisation der mehrtägigen Pfarrkonvente, bei denen die Pfarrerschaft einmal im Jahr zusammenkommt. „In den ersten Jahren waren diese Zusammenkünfte noch familiär geprägt: Die kompletten Familien eines Pfarrers oder einer Pfarrerin haben daran teilgenommen“, erinnert sich Koschel. Mit der Zeit sei dies aber unüblich geworden, dafür wurden die Ziele für diese Zusammenkünfte immer ferner: Unter anderem nach St. Petersburg oder Mailand gingen die Reisen.
Die Familien einer Pfarrperson seien aber früher nicht nur bei den Pfarrkonventen viel mehr einbezogen worden als heute, sondern auch bei anderen Gelegenheiten. „Die Frau meines ersten Dekans, Ingeborg Wunderer, hat damals die Pfarrfrauen in der Adventszeit zum Basteln in ihre Wohnung eingeladen“, erzählt die langjährige Sekretärin, die inzwischen mit dem vierten Dekan ihrer Laufbahn zusammenarbeitet. Das sei heute undenkbar. In 45 Jahren konnte Ingrid Koschel miterleben, wie sich das Selbstverständnis der jeweiligen Ehepartner mit der Zeit verändert habe. Gudrun Saalfrank, die Frau von Dekan Saalfrank, der bis Ende 2021 im Amt war, war selbst Pfarrerin und die Aufgaben der beiden Eheleute seien stets strikt getrennt gewesen. Auch hätten die Partner von Pfarrerinnen und Pfarrern heute in der Regel einen eigenen Beruf und sähen sich nicht in erster Linie als Mitarbeitende in der Gemeinde.
Flut von E-Mails
Was hat sich in all den Jahren noch verändert? „Früher war das Arbeiten ruhiger. Heute kann man die Flut von E-Mails manchmal gar nicht mehr überblicken“, meint Ingrid Koschel. Auch sei die Situation in den Gemeinden und in der Pfarrerschaft heute schwieriger: Immer weniger Personal müsse die Aufgaben bewältigen.
Es gebe immer weniger Nachwuchs gerade bei den Pfarrern. „Als ich angefangen habe, wurden vom Dekanat Hof 25 Theologie-Studenten im Jahr betreut. Heute sind es noch drei“, erzählt Koschel. Auch an der Zahl der Konfirmanden könne man eine Entwicklung ablesen: Nicht mehr jede Familie sei überhaupt daran interessiert, ihr Kind konfirmieren zu lassen. „Da sind die Eltern selbst schon nicht mehr kirchlich gebunden“, weiß Koschel.
Der Gottesdienstbesuch in Hofs größter Kirche sei jedoch relativ konstant; besonders beliebt seien die Marktandachten mit kurzen Impulsen und Musik auf hohem Niveau. Auch zu den Sonntagsgottesdiensten kämen die Menschen zum Teil aus ganz Hof, weil sie die Künste von Kirchenmusikdirektor Georg Stanek und der Michaeliskantorei schätzen. Dabei müssten die Besucher trotz Sparmaßnahmen übrigens nicht frieren.
Nur Weihnachten geheizt
Als Ingrid Koschel anfing, 1978, wurde die Kirche nur an Weihnachten geheizt. „Der Mesner war drei Tage in der Heizung verschwunden und musste die Kohlen reinschippen.“
Claudia Schott
Ingrid Koschel hat in 45 Jahren mit vier Dekanen zusammengearbeitet: Dies waren die Amtszeiten:
Von 1978 -1992 Hermann Wunderer
Von 1992-2004 Rudolf Weiß
Von 2004- 2021 Günter Saalfrank
Seit März 2022 ist Andreas Müller im Amt
Foto: Claudia Schott