„Eine Krippe muss nicht unbedingt schön sein“, sagt Helmut Schmelz. „Aber sie sollte eine besondere Aussagekraft haben.“ Der Hofer ist schon ein Leben lang Krippenfan und nennt rund 100 Krippen – von winzig klein bis groß, von detailreich und traditionell bis ganz schlicht und modern – sein Eigen. Nur wenige davon hat er selbst gekauft. Es scheint vielmehr, dass die Krippen ihn finden.
Eine einzige seiner Krippen hat Helmut Schmelz noch nie im Rahmen einer Ausstellung gezeigt – nämlich die, mit der alles begann. Die große Familienkrippe, die jedes Jahr in der Weihnachtszeit einen Ehrenplatz in seinem Wohnzimmer bekommt. Die seine Familie, die aus dem tschechischen Erzgebirge stammt, im Jahr 1966 mit nach Bayern gebracht hat. Im Erzgebirge, das Helmut Schmelz als 15-Jähriger verlassen hat, war es damals üblich, dass jede Familie eine große Hauskrippe hatte, und er erinnert sich noch heute gerne daran, wie spannend er es fand, die Krippe gemeinsam mit seinem Großvater mit Moos, Wurzeln und Steinen zu gestalten.
Später, Schmelz war inzwischen 29 Jahre alt, hat er gemeinsam mit seinem Vater die Aufgabe übernommen, in der St. Otto Kirche in Hof eine Krippenlandschaft aufzubauen. Hier kam zum ersten Mal eine Frau auf ihn zu, die ihm eine Krippe schenkte. Es sollte nicht die Einzige bleiben.
Krippe im Amt
In den 90er Jahren, Schmelz arbeitete als Sozialpädagoge am Gesundheitsamt, bat er seinen Chef, im Flur eine Krippe aufbauen zu dürfen. Im folgenden Jahr fragten seine Kolleginnen schon im Oktober nach, ob es denn wieder so eine schöne Krippe gebe. Es folgten Anfragen von Landratsamt und TPZ, alle Jahre wieder. Die Krippe im Gesundheitsamt hat Helmut Schmelz nach seinem Ruhestand noch einige Jahre weiter betreut; um die im TPZ kümmert der Rentner sich noch heute.
Schon im Oktober zieht er los, um Moos zu sammeln und zu trocknen, komplettiert sein großes Lager mit Wurzeln, Steinen und anderen nützlichen Materialien und macht sich über die Gestaltung der Krippen Gedanken. Kein Detail wird dem Zufall überlassen, alles muss zusammenpassen, und alles dient dazu, jede Krippe so in Szene zu setzen, wie sie es verdient. Als Untergrund dienen mal Holzplatten, mal Schiefer, mal Moos und Wurzeln, mal Betonfliesen, mal Blech, mal Steine. Jedes Arrangement ist liebevoll und durchdacht. Und keine Krippe ist wie die andere.
Unter den 61 figürlichen Krippen (alle säuberlich auf einer Inventarliste notiert; alle mit Datum und Informationen über Alter und Herkunft versehen) finden sich nicht nur traditionelle Krippen, sondern auch wahre Kunstwerke: filigran aus Draht gebogen, grob aus Schiefer gehauen, aus rostigem Blech, aus gebrauchten Dosen, aus Porzellan. So manche Krippe bekam Helmut Schmelz von Freunden oder Familienmitgliedern mit den Worten überreicht: „Wir können nichts damit anfangen. Wenn sie Dir auch nicht gefällt, kannst Du sie ja wieder weggeben.“ Doch bisher konnte noch jedes der Stücke seine Begeisterung wecken: „Ich liebe Krippen, die eine Aussage haben. Die Weihnachtsbotschaft ist für mich immer noch eine geheimnisvolle Botschaft.“
Neben den figürlichen Krippen haben es Helmut Schmelz seit etlichen Jahren auch Papierkrippen angetan – insbesondere von tschechischen Künstlern. „Die Papierkrippe war früher die Krippe der armen Leute“, weiß der Hofer. Familien, die sich keine Krippenfiguren leisten konnten, erwarben Papierbögen zum Ausschneiden. „Künstler können sich hier ganz anders verwirklichen als bei Figuren“, schwärmt Schmelz. Keine seiner 38 Papierkrippen ähnelt der anderen. Jede hat ganz eigene Farben und Figuren; jede erzählt eine eigene Geschichte.
Steine aus der Mauer
Geschichten erzählen auch so manche Accessoires der figürlichen Krippen, die der Rentner gestaltet. Da sind die Originalsteine aus der Mauer zwischen BRD und DDR in Mödlareuth – „die so viel Kummer bedeutet haben, und nun auch einmal für etwas Positives stehen sollen“. Oder zwei ganz besonders große Wurzeln, ebenfalls aus dem deutsch-deutschen Grenzgebiet, die in einem Wald lagen, den kein Mensch durchstreifen durfte – bis die Grenze offen war und Helmut Schmelz sie auf einer seiner Wanderungen entdeckt hat.
Als Hintergrund für seine Krippen dienen Schmelz alte Gemälde, mehrere Meter groß, dick, schwer und von zahlreichen Einsätzen gezeichnet. Zwei davon stammen noch von seinem Großvater und seinen Eltern, andere vom Großvater eines Bekannten aus dem Erzgebirge. Inzwischen bewahrt der Hofer die Originale sicher auf und verwendet Nachdrucke, die eingescannt und auf hochwertigem Leinen ausgedruckt wurden.
An einem Tag im November packt Helmut Schmelz die große Krippe aus, die er demnächst im TPZ in Hof aufstellen wird. Die Figuren stammen von einem älteren Herrn aus Jägersruh, der in hohem Alter begonnen hat, Krippenfiguren zu gestalten. Schmelz‘ Vater hat sie damals gekauft. Ochse, Esel und Schafe finden ihren Platz im grünen Moos, die heiligen Könige scharen sich um die Krippe, zwei mächtige Wurzeln rahmen das Geschehen, der Hintergrund sorgt für eine ganz besondere Stimmung. Nur das Jesus-Kind des Jägersruher Künstlers sieht ein wenig zerknautscht aus. Helmut Schmelz hätte noch ein anderes, schöneres, im Karton. Doch dort lässt er es auch: „Muss denn Jesus perfekt sein? Wir Menschen sind doch auch nicht perfekt!“ Sandra Langer
Fotos: Christian Kirchmann