Dieter Späte aus Hof weiß, was es bedeutet, mit wenig auskommen zu müssen. Nur mit zwei Koffern kam seine Mutter 1954 mit ihm als Vierjährigen und seiner Schwester aus Leipzig nach Hof. Heute will der 72-Jährige etwas zurückgeben – aus Dankbarkeit.
In Hof angekommen, erlebte der kleine Dieter, was Überfluss bedeutet, hatte er doch ständig das Warenangebot des Kaufhofs vor Augen; die Familie wohnte direkt gegenüber, in der Altstadt 33. Um sich selbst ein paar Pfennige zu verdienen, besorgte er für den Wärschtlamo am Oberen Torplatz frische Würste und Brötchen, wenn diese zu neige gingen. Dafür bekam er am Tag 37 Pfennig „Lohn“. Ein paar Wiener kosteten damals jedoch etwa 45 Pfennig. „Nie habe ich am Ende eines Tages ein paar Wiener von dem Mann bekommen“, erzählt Dieter Späte. Nicht einmal, wenn er seinen spärlichen Lohn eingesetzt hätte…
Seine Mutter wiederum schickte den Jungen oft zum Metzger mit dem Auftrag, die Randstücke der Wurst „für den Hund“ zu kaufen – dabei hatte die Familie gar keinen Hund. Aber so gelangte man günstig an gute Produkte. Dieter Späte lernte also früh, was es heißt, wenig Geld zu haben und wie wertvoll Lebensmittel sind.
Aus drei Jahren fern der
Heimat wurden 35
Inzwischen muss der heute 72-Jährige nicht mehr aufs Geld schauen. Nach zwei Ausbildungen als Buchdrucker und Offsetdrucker wurde er 1975 der jüngste Meister Oberfrankens als Buchdrucker. Zusammen mit seiner Frau, die damals Ausbilderin bei der Firma Kleemeier in Hof war, entschied er sich, „für drei Jahre“ aus beruflichen Gründen von Hof wegzugehen. Er ging nach Dortmund. Als technischer Unternehmensberater war er viel unterwegs, plante Neubauten, hielt Fachvorträge und war Gutachter für Druckunternehmen. Aus den drei Jahren wurden schließlich 35. Gewohnt haben die Spätes in Lünen, einer Großstadt in Westfalen, und waren hier „gut verwurzelt“ – bis sie davon erfuhren, dass in der Nähe ihres Hauses ein neues Kohlekraftwerk gebaut werden sollte. Sie beschlossen deshalb, ihr Reihenhaus so schnell wie möglich zu verkaufen und etwas Neues zu suchen. Doch das erwies sich als sehr schwierig.
Ein neuer Lebensabschnitt stand ohnehin ins Haus: Im Jahr 2010 hatte Dieter Späte sich entschieden, in Altersteilzeit zu gehen, und seine Frau verlor ihren Job als Leiterin in einem Textilbetrieb. Da haben sie beide nicht allzu lang überlegt. Sie wollten zurück nach Hof. Schnell folgten Taten: Ein Grundstück in Wölbattendorf wurde gefunden und mit einem Bungalow und großem Garten bebaut. Nach der Rückkehr in die alte Heimat machte ein brauner Labrador namens Otto das neue Glück perfekt. Scheinbar.
In ein Loch gefallen
„Ich bin ich ein ganz großes Loch gefallen“, berichtet Dieter Späte. Trotz neuem Haus, herrlicher Umgebung, dem neuen Familienmitglied Otto und viel freier Zeit, das alles zu genießen. Zu viel. „Ich hatte das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden“, erzählt der Rentner weiter. Im Vergleich zu seinem Berufsleben habe er eben „nix mehr zu tun“ gehabt. Seine Frau sei damals zwar offiziell auch arbeitslos gewesen, habe das aber ganz anders verarbeitet. „Sie hat sich Aufgaben gesucht.“ Doch für ihn sei es sehr schwer gewesen; es ging ihm richtig schlecht. So etwas wünsche er niemandem. „In solchen Phasen können Partnerschaften zerbrechen“, weiß Späte.
Doch seine Frau war es schließlich, die ihm nach und nach aus dem Loch wieder rausgeholfen hat. Zusammen haben sie das durchgestanden. „Meine Frau hat das alles ertragen. Ihre Souveränität hat mir geholfen“, sagt Dieter Späte. Schließlich begann er, sich ebenfalls nach neuen Betätigungsfeldern umzusehen, gründete in Wölbattendorf einen Hundeverein und wurde Mitglied im Obst- und Gartenbauverein. 2014 kandidierte er als Parteifreier auf der Liste der CSU für den Hofer Stadtrat, weil er „was für Hof bewegen“ wollte. Für einen Sitz in dem Gremium hat es nicht gereicht, stattdessen hat er in der Folge die Hofer FDP mit aufgebaut – und sie inzwischen wieder verlassen. Weiterhin suchte er aber nach einer Möglichkeit, sich sinnvoll für die Stadt und ihre Menschen einzusetzen. Da kam ihm ein Tipp eines Bekannten gerade recht: Die Hofer Tafel suchte noch ehrenamtliche Mitarbeiter.
Lebensmittel sammeln
Seit dreieinhalb Jahren ist Dieter Späte nun schon bei dem Verein tätig, fährt einmal in der Woche „die Frankenwaldtour“, um überflüssige Lebensmittel bei Herstellern und Händlern einzusammeln. Auch übernimmt er etwa einmal im Monat samstags die Kasse. Die Abholer müssen einen kleinen Kostenbeitrag leisten. Wenn er so einen Tag lang die Menschen beobachte, die bei Regen und Kälte draußen vor der „Tafel“ in der Schlange stehen, müsse er sich einfach immer wieder sagen, wie gut es ihm selbst gehe. Darum wolle er „etwas zurückgeben“ an die Menschen und an die Gesellschaft. Dass er dabei auch noch wertvolle Lebensmittel vor dem Müll retten kann: Das passt zur Lebensgeschichte von Dieter Späte. Von allen Ehrenämtern, die er bisher ausgeübt habe, erfülle ihn diese Aufgabe mit der meisten Zufriedenheit. Für Menschen, die ebenfalls auf den Ruhestand zugehen, hat er abschließend noch einen Rat: „Überlegen Sie sich gut, wie Sie Ihre freie Zeit sinnvoll füllen können.“ Er selbst sei heute jedenfalls „glücklicher denn je“. Claudia Schott
Foto: Claudia Schott