An Ruhestand denkt er nicht: ProHof Mitglied Dr. Jakob Gonczarowski ist 71 Jahre alt und Geschäftsführer der Hofer Textilveredelungs GmbH und der Bambini Kinderwelt in Bamberg und Würzburg. Außerdem ist er der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in Hof. Hier erzählt er, wie er zur Stadt Hof und zur aktuellen Lage in Deutschland steht.
Jakob Gonczarowski ist viel herumgekommen in seinem Leben: Nach Schulzeit und Abitur in Hof hat er in Israel Mathematik und Informatik studiert, war wissenschaftlicher Mitarbeiter am IBM Forschungszentrum in Kalifornien und später Lehrstuhlinhaber für Computergrafik an der Universität Jerusalem. Um ins damalige Textilunternehmen seines Vaters Leon Gonczarowski einzusteigen, kam er im Jahr 1990 zurück nach Hof. Die Firma Le-go war zu dieser Zeit der größte Arbeitgeber in Hof – inzwischen ist sie Geschichte, „weil China die Preise kaputt gemacht hat“, wie Gonczarowski erklärt.
„Hof muss sich um die Stadtentwicklung und um die Unternehmen kümmern“
Als Sohn des Firmengründers entwickelte er jedoch immer wieder neue Produkte für den Textilmarkt und sei inzwischen mit der Hofer Textilveredelung „technisch an vorderster Front“. Zuletzt habe man in den Jahren 2017 bis 2019 vier Millionen in die Firma investiert. Jakob Gonczarowski führt somit die Familientradition fort und sichert Arbeitsplätze in seiner Heimatstadt Hof. Doch die sieht er in manchen Bereichen kritisch. „Hof muss sich um die Stadtentwicklung und um die Unternehmen kümmern“, ist er überzeugt. Als vor Jahren im Stadtgebiet schnelles Internet verlegt worden sei, habe man seine Firma vergessen anzuschließen, sodass sie dafür selbst 30.000 Euro habe aufbringen müssen. „Außerdem sollte der Wirtschaftsförderer die Unternehmen besuchen und sich informieren“, meint der Geschäftsführer. Er oder der / die Oberbürgermeister/in solle zum Beispiel die Unternehmen aktiv auf Förderprogramme aufmerksam machen.
Im Gespräch mit Jakob Gonczarowski wird deutlich, dass er Unternehmer mit Leib und Seele ist und bleiben will – auch wenn im letzten Jahr ein weiterer Geschäftsführer für die Hofer Textilveredelung eingestellt wurde. An Ruhestand denkt der 71-Jährige nicht. Und wenn doch, wo würde er ihn am liebsten verbringen? „Die Welt habe ich beruflich bedingt gesehen“, sagt er. Ob er weiterhin gern in Deutschland leben würde, hänge davon ab, wie es sich politisch weiterentwickelt. Der wachsende Antisemitismus mache ihm große Sorgen, vor allem der auf das Land Israel bezogene.
Doch sieht er auch andere Dinge kritisch, zum Beispiel, wie hierzulande mit der Corona-Pandemie umgegangen werde. Insbesondere mit der Auswertung von Daten. „Viele Zahlen sind nicht realitätsbezogen“, meint der studierte Mathematiker. „Sie dienen dazu, die Leute in Panik zu versetzen.“ Seine eigene Corona-Infektion Anfang des Jahres habe er zum Glück nach Krankenhausaufenthalt und Reha gut überstanden.
Regelmäßig Sport
„Die Treppe kann ich nicht mehr schnell raufrennen“, berichtet er schmunzelnd – aber schnell gehen könne er noch, wenn auch mit Hilfe eines Stockes. Den braucht er, da er schon seit 1989 an Multipler Sklerose leidet. Um dem Muskelabbau entgegenzuwirken, mache er regelmäßig Sport: Schwimmen, Training auf dem Ergometer und auf einer Vibrationsplatte. „Aber auf einem richtigen professionellen Gerät“, betont Gonczarowski.
Neben seinen Unternehmen und dem Sport geht er gern in Museen und ist Mitglied im Hofer Kunstverein. Vor allem aber widmet er sich seinem Amt als Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde. Sein Vater und Gründer der Synagoge in Hof habe ihn seinerzeit gebeten, dieses Amt von ihm zu übernehmen. Daneben gibt es vier weitere Personen im Vorstand sowie einen Rabbiner, der am Freitagabend und Samstagvormittag Gottesdienst hält. Was vielleicht manche nicht wissen: Finanziert wird der Rabbiner aus Mitteln der Bekenntnissteuer, die mit der Kirchensteuer vergleichbar ist, außerdem besteht wie mit den Kirchen ein Staatsvertrag mit den jüdischen Gemeinden in Deutschland.
Einladung zu Pessach
Am 8. Mai lädt die jüdische Gemeinde in Hof um 13 Uhr zur gemeinsamen Feier des Pessach-Festes in der Bürgergesellschaft ein. Allerdings wird es bei dem Essen kein Fleisch geben, denn das müsste nach den Vorschriften im Judentum koscher sein und extra in großen Mengen nach Hof gebracht werden. „Und so einen großen Kühlschrank besitze ich leider nicht“, sagt Jakob Gonczarowski mit einem Lächeln hinter seiner Corona-Maske. Claudia Schott
Zur Person:
Jakob Gonczarowski wurde im Jahr 1951 in Hof geboren. Nach der Schulzeit in Hof studierte er in Israel Mathematik und Informatik. Für viele seiner späteren Forschungsarbeiten wurde er ausgezeichnet, unter anderem im Computer History Museum in Kalifornien. Die zahlreichen Publikationen Gonczarowskis findet man unter anderem auf der Seite der Hebrew University of Jerusalem. Den größten praktischen Nutzen habe sein Beitrag über Formatierung von Texten gebracht. Dabei ging es darum, Texte, die von links nach rechts geschrieben werden, richtig von rechts nach links wiederzugeben. Vor zwei Jahren konnte er schließlich eine Arbeit über den Aufbau der hebräischen Buchstaben und deren Systematisierung mit einem Typografen zu Ende stellen. Die Arbeit wurde im Gutenberg-Jahrbuch veröffentlicht.
Foto: Claudia Schott