Den Blick vom Kirchturm der Hofer Michaeliskirche wird Dekan Günter Saalfrank vermissen. Nach 17 Jahren Dienstzeit verabschiedet sich der Geistliche im November in den Ruhestand. Auf dem Turm seines Gotteshauses hat er oft und gerne Zeit verbracht: „Dort habe ich so manches Volksfest-Feuerwerk von exponierter Warte aus genossen. Und auch der Blick über die Saaleauen sprach mich jedes Mal aufs Neue an.“
Die ganze Stadt und alle Menschen im Blick haben, das war Günter Saalfrank auch in seinem Wirken als Pfarrer und Dekan wichtig. Den biblischen Auftrag „Suche der Stadt Bestes“ nahm der bekennende Hof-Fan stets wörtlich. Christen dürfen sich seiner Ansicht nach nicht auf ihre „fromme Insel“ zurückziehen, „denn der christliche Glaube hat immer auch den Nächsten im Blick“.
So haben manche Projekte, die dem Dekan beim Nachsinnen über die vergangenen 17 Jahre einfallen, zumindest auf den ersten Blick nicht direkt mit dem Glauben zu tun. Natürlich denkt er mit Freude an den Fernsehgottesdienst, der in der ARD ausgestrahlt wurde und über einer Million Menschen die Osterbotschaft aus der Michaeliskirche nahegebracht hat. Auch dass der ökumenische Lichterzug von der katholischen St. Marien- zur evangelischen Michaeliskirche am ersten Januar, der ursprünglich als einmalige Aktion zur Jahrtausendwende gedacht war, heute lieb gewonnene Tradition ist, gefällt dem Pfarrer.
Doch lebhaft in Erinnerung geblieben ist ihm beispielsweise auch die Zeit, in der „braune Rattenfänger“ in Oberprex Stellung bezogen haben. „Dass es uns gelungen ist, hier ein bayernweit einzigartiges Modell auf die Beine zu stellen, in dem Landkreis, Gemeinde Regnitzlosau und evangelische Kirche an einem Strang ziehen, ist etwas Besonderes.“ Seit 2013 gibt es die Projektstelle Jugendarbeit und Extremismusprävention. Die Arbeit einer Sozialpädagogin in Schulen, Ausbildungsstätten, Kirchengemeinden und Kommunen soll Kinder und Jugendliche stärken und für die Gefahren des Extremismus sensibilisieren.
Regelmäßig nahm Günter Saalfrank als Pfarrer und Christ zu gesellschaftlichen und politischen Themen Stellung – vom Rechtsextremismus über den Irakkrieg oder das Jubiläum der Anschläge in New York bis hin zur Fußballweltmeisterschaft. Das geschah beispielsweise im Rahmen der Marktandachten, die vor dem Wochenmarkt in der Michaeliskirche stattfinden. „Shop and Pray mit Einkaufstasche“ beschreibt der Dekan die Veranstaltungsreihe, die ihm ans Herz gewachsen ist, und die – wie so vieles in seinem Wirken – ein Brückenschlag zwischen Kirche und Gesellschaft ist. Vor seinem Dienst in Hof hat Günter Saalfrank, der nicht nur eine theologische Ausbildung hat, sondern auch ausgebildeter Zeitungsredakteur ist, zehn Jahre lang als Chefredakteur für die evangelische Kirchenzeitung in Bayern gearbeitet – ein Job an der Nahtstelle zwischen Kirche und Gesellschaft. „Es war mir immer wichtig, dass wir eine einladende Kirche sind, die Hoffnung ausstrahlt.“
Die Probleme und Herausforderungen, die er dabei in 17 Dienstjahren zu bewältigen hatte, verklärt Günter Saalfrank nicht. Wegen des Bevölkerungsrückgangs müssen Kirche und Kirchenverwaltung mit immer weniger Mitarbeitern klarkommen. Die Aufgaben jedoch nehmen gleichzeitig zu. Und der Bezirk, für den der Hofer Dekan zuständig ist, ist seit seiner Amtseinführung im Jahr 2004 deutlich gewachsen. Heute gehören über 150 Mitarbeiter, über 90 Kirchengemeinden und über 90 Kindertagesstätten zum Verwaltungsbezirk, der damit nach München und Nürnberg der drittgrößte in Bayern ist. In der Diakonie Hochfranken, mit rund 1900 Mitarbeitern der größte Diakonische Träger in Oberfranken, war Günter Saalfrank zunächst nur in zweiter Reihe tätig. Nach einer Krise, die in der Trennung von einem Geschäftsführer gipfelte, fungiert er seit 2007 als Aufsichtsratsvorsitzender der Einrichtung.
Diese und viele weitere Aufgaben forderten die Aufmerksamkeit des Dekans. Und fast alle seien nur in einem Miteinander, im gemeinsamen Überlegen und Handeln in Gremien und Gemeinden zu bewältigen gewesen. Besonders dankbar ist Saalfrank in diesem Hinblick auch für die vielen engagierten ehrenamtlichen Mitarbeiter, die ihre Kirche personell und finanziell unterstützen.
In turbulenten Zeiten gilt für den Dekan die Devise: „Die Klagemauer steht in Jerusalem und muss hier nicht noch einmal aufgebaut werden.“ Es gelte die Herausforderungen zu sehen, sich der eigenen Stärken bewusst zu sein, und die Dinge dann offensiv anzugehen. Das rät Günter Saalfrank auch den Hofern, die ihn vor 17 Jahren oft mit dem Spruch „Sind Sie denn wirklich freiwillig hier hergekommen?“ empfangen haben. Er habe zwar den Eindruck, dass es seitdem durchaus zu einer Veränderung der Mentalität gekommen sei, und die Menschen langsam sehen, was es an Schönem und Besonderem in der Region gibt. Aber: „Ich würde mir wünschen, dass die Hofer diese Pfunde noch mehr in die Waagschale werfen und noch selbstbewusster auftreten.“
Der Privatmensch Günter Saalfrank schätzt besonders Theater und Symphoniker, die Adventskonzerte der Gymnasien und die Filmtage, die er teilweise als „persönliche Fortbildung“ betrachtet, und für die er sich, wann immer möglich, Zeit genommen hat. Als Dekan bereiteten ihm vor allem das in der Regel gute Miteinander zwischen kirchlich und politisch Verantwortlichen Freude.
Vermissen wird Günter Saalfrank, der mit seiner Frau nach Bayreuth ziehen wird, neben dem Blick vom Kirchturm vor allem die Begegnungen mit Menschen. „Als Pfarrer kommt man den Menschen besonders nahe“, weiß der Geistliche. So werden nicht nur das Leid beim Abschied geliebter Menschen, sondern auch freudige Momente wie Hochzeiten oder Taufen intensiv geteilt. Dankbar ist Günter Saalfrank dabei vor allem für die Gesundheit und Kraft, die ihm für seine Aufgaben geschenkt wurden. Dass sein Leben nun deutlich ruhiger wird, schreckt ihn nicht.
„Alles hat seine Zeit“ ist das Bibelwort, das für ihn über seinem Abschied steht. „Es geht eine intensive und gute Zeit zu Ende, in der sich eine Menge getan hat. Und ich bin gespannt auf das, was kommen wird.“ Zwar habe er verschiedene Ideen – von Zeit für Freunden über Reisepläne bis hin zu handwerklichen Projekten – aber: „Es ist mir wichtig, nicht die ganze Zeit zu füllen. Sondern offen zu sein für das, was sich ergibt.“ Sandra Langer