Der Himmel ist wolkenverhangen, Wind streift durch die Baumwipfel, das Moos leuchtet grün – ein Herbsttag im Wald. Nur kleine Plaketten an einzelnen Bäumen oder an Holzpfählen neben den Bäumen künden davon, dass dieser Wald ein Friedhof ist. Vereinzelt streifen Angehörige durch den Wald, genießen die Stille und gedenken ihrer Lieben, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Wanderer passieren den Hauptweg und erfreuen sich, wenn sie aus dem Wald treten, einer atemberaubenden Aussicht über den schönen Frankenwald. Der Wald- und Naturfriedhof zwischen Reitzenstein und Griesbach ist ein besonderes Stück Land.
Immer wieder erlebt Friedhofsleiterin Nina Burjakow Angehörige, die dem Waldfriedhof zunächst skeptisch gegenüberstanden; die eigentlich zu einem konventionellen Friedhof tendierten, aber dennoch dem Wunsch des Verstorbenen nach einer Beisetzung in der Natur nachkamen. „Viele von ihnen sagen mir nach der Trauerfeier oder nach ihren ersten Besuchen: ,Das war genau die richtige Entscheidung‘“, erzählt Nina Burjakow. Initiator und Eigentümer des Waldfriedhofs ist Constantin Freiherr von Reitzenstein; Träger ist immer die zuständige Gemeinde. Neben dem sehr ursprünglichen Wald bei Issigau gibt es einen Standort in Naila. „Hier schätzen viele Menschen den Blick auf die Stadt, die man zum Teil auch hören kann. Es ist nicht ganz so still dort“, sagt Burjakow. Im thüringischen Burgk gibt es seit Kurzem noch einen dritten Standort.
„Die Nachfrage nach Beisetzungen im Wald hat sich deutlich erhöht. Vor allem seit es in unserer Region ein entsprechendes Angebot gibt“, berichtet Martin Saalfrank-Portner, Geschäftsführer von Duscher Bestattungen. „Viele Menschen haben den Wunsch nach einer alternativen Beisetzungsform, die dem Lebensgefühl, das sie hatten, entspricht.“ Zwar sei die klassische Beisetzung auf einem traditionellen Friedhof immer noch die häufigste Form. Doch gerade für sehr naturverbundene Menschen ist der Wald inzwischen eine beliebte Alternative.
Neue Bestattungskultur
Dass sich Teile der Bestattungs- und Beisetzungskultur in den vergangenen Jahren massiv geändert haben, sieht Martin Saalfrank-Portner auch darin begründet, dass sich Familienmodelle verändert haben. Früher gab es Gräber, die über Generationen in Familienhand waren: „Die ganze Familie hat an einem Ort gelebt und hat gemeinschaftlich das Grab bepflanzt, gepflegt und gegossen.“ Heute wollen manche Menschen den Aufwand der Grabpflege nicht mehr auf sich nehmen – oder können es gar nicht, weil sie nicht vor Ort leben.
„Wenn die Menschen hier ihre Angehörigen besuchen, kommen sie zum Verweilen und zum Gedenken – ohne den Stress, gießen, pflanzen und sich kümmern zu müssen“, sagt Nina Burjakow. Grabschmuck und Blumen sind nicht erlaubt. Die Grabstätte wird nach der Beisetzung der biologisch abbaubaren Urne bewusst wieder dem Wald übergeben. „Zur Beisetzung allerdings darf alles, was verrottet, mit in das Grab“, erklärt die Friedhofsleiterin. Auch einen Brief dürfe man dem Verstorbenen mit auf den Weg geben.
Anonyme Beisetzungen gibt es auf dem Waldfriedhof übrigens nicht. „Jeder Mensch hatte zu Lebzeiten seinen Namen. Das bleibt bei uns auch im Tod so.“ Auf kleinen Plaketten an den Grabstätten stehen Name-, Geburts- und Sterbedatum der Menschen, die dort ruhen. Den passenden Baum sucht Nina Burjakow gemeinsam mit den Angehörigen aus. Bisweilen kommen auch schwer erkrankte Menschen, die wissen, dass sie bald sterben werden, und sich ihren Baum selbst aussuchen möchten. „Das kann eine gute Art der Vorbereitung sein.“
Baum selber pflanzen
Wer sich schon frühzeitig für den Waldfriedhof entscheidet, kann sich den eigenen Baum nicht nur aussuchen, sondern ihn (auf Wunsch im Familienkreis) selbst mit pflanzen. Im Waldfriedhof gibt es für die Trauerfeier einen Andachtsplatz mit einem großen Kreuz und Holzbänken. Die Hauptwege sind auch mit Rollator gut begehbar und im Winter meistens einigermaßen geräumt. Die Beisetzung übernimmt – wie auf dem konventionellen Friedhof auch – ein Bestatter, der sich auch um die Einäscherung kümmert und mit dem die Familie gemeinsam über die Ausgestaltung der Feier entscheidet.
„Ich bin Ansprechpartnerin für die Baum-Auswahl und nehme den Angehörigen manche Absprachen mit dem Bestatter ab“, erklärt Friedhofsleiterin Burjakow. „Außerdem nehme ich die Trauergäste in Empfang und zeige dem Bestatter die Grabstätte.“ Wenn die Angehörigen das möchten, steht Nina Burjakow auch für Gespräche zur Verfügung. „Mein Beruf ist eine Berufung. Ich liebe es nicht nur, draußen zu sein und die Ruhe des Waldes zu genießen, sondern ich begleite auch gerne die Angehörigen auf diesem schwierigen Weg.“ Sandra Langer
Im Wald- und Naturfriedhof Frankenwald finden regelmäßig Führungen statt – in Issigau an jedem ersten und dritten Dienstag im Monat; in Naila an jedem zweiten und vierten Dienstag im Monat, jeweils um 10 Uhr. Darüber hinaus an jedem ersten Samstag im Monat um 10 Uhr abwechselnd an einem der Standorte. Interessenten können einfach vorbeikommen, eine Anmeldung ist nur für Gruppen von mehr als fünf Personen nötig. Die genauen Termine, Anfahrtsbeschreibungen und Infos über Laufzeiten und Gebühren finden sich auf www.wnf-frankenwald.de; Infos und Führungstermine für den Standort Burgk auf www.wnf-saale-orla.de. Nina Burjakow, die Leiterin des Waldfriedhofs, ist unter Telefon 09293/9460244 erreichbar.