Hof – Leipzig – Tokio. Diese drei Städte sind für Melanie Gebhardt aus Hof von großer Bedeutung. Begonnen hat ihre Sportlerkarriere am Hofer Untreusee. Dort machte sie als 8-jähriges Mädchen einen Ferienkurs beim Faltbootclub Hof e. V. 1932 – und war sofort vom Virus des Kanusports infiziert. Heute ist die blonde Kanutin Teil des Deutschland-Vierer-Kanus und direkt auf dem Weg zu den Olympischen Spielen.
Ganze 0,12 Sekunden Vorsprung im Duell gegen Caroline Arft aus Essen waren es letztendlich, die ihr den Weg nach Tokio ebneten. Wie kommt man so weit in einem Sport? „Das Ganze hat sich step by step entwickelt. Man fängt irgendwann an, ist begeistert, macht weiter und dann bleibt man dabei“, erzählt sie beim Interview, für das sie sich trotz täglich mindestens vier bis fünf Trainingsstunden beim Abendessen noch Zeit nimmt.
Zur Sportoberschule
Motivation, Ausdauer und Selbstdisziplin – unter anderem sind es sicherlich diese Attribute, die sie dahin brachten, wo sie jetzt steht. Ruft man die Website www.teamdeutschland.de im Browser auf, dann erscheinen unter „Athleten“ die lächelnden Gesichter der nominierten jungen Sportler mit den roten Shirts, die bei den Olympischen Spielen für Deutschland ins Rennen geschickt werden. Darunter nun auch die 27-jährige ehemalige Hoferin – „unsere Melanie“ – , die irgendwann mehr wollte und deshalb 2009 mit 15 Jahren auf die Sportoberschule Leipzig wechselte. Seitdem war und ist sie stets erfolgreich.
Sie lobt die Arbeit ihrer Hofer Trainer, erklärt aber auch, dass es einen sportlich nicht wirklich weiterbringt, wenn man nur ein, zwei Mal die Woche trainiert. „Bereut habe ich es nie, obwohl ich jeden verstehen kann, der nicht in einem Sportinternat leben will. Aber man lernt dort so viel, nicht nur in sportlicher Hinsicht, sondern auch fürs Leben. Selbst wenn ich es nicht zu Olympia geschafft hätte, wäre es für mich gut gewesen.“
„Ich kann es noch gar nicht richtig glauben!“
Wie fühlt es sich an, wenn man sich für Olympia qualifiziert hat? „Ich kann es noch gar nicht richtig glauben! Es ist momentan noch nicht so richtig greifbar“, verrät sie im Gespräch. „Aber ich bin auch nicht der Mensch, mir vorher zu viele Gedanken zu machen. Ich lasse es auf mich zukommen und gebe wie immer mein Bestes.“ Vor dem Flug nach Tokio fuhr das Viererteam im Vorfeld noch für 2,5 Wochen nach Duisburg ins Trainingslager und erst am 25. Juli ging´s dann ab nach Japan.
Wie motiviert man sich, Tag für Tag so viele Stunden zu trainieren? „Ich trainiere richtig gerne – das Training macht mir Spaß! Hat es schon immer. Natürlich habe ich auch mal schlechte Phasen, aber ich würde es nicht machen, wenn ich es nicht gerne machen würde. Außerdem bin ich ein Bewegungsmensch und bewege mich auch in meiner Freizeit gerne, fahre Rad, laufe oder gehe auch mal Kitesurfen“, plaudert sie aus dem Nähkästchen. Ganz locker kann sie aber auch mal einen Sonntagnachmittag lang faul auf der Couch verbringen. Sogar beim Telefongespräch spürt man ihre entspannte Grundhaltung. Sie wirkt in sich ruhend, nahbar und sympathisch.
Wie lange kann man diesen Sport auf Leistungsebene betreiben? „Bis in die Dreißiger kann man das schon gut machen“, hofft sie. Und danach? Auch dafür hat die Ausnahme-Sportlerin einen Plan. Neben ihren vielen Sporteinheiten absolviert sie ein Studium der Sonderpädagogik und könnte dann als fertige Sonderpädagogin nach ihrer Sport-Karriere an einer Förderschule unterrichten.
Kontakte nach Hof
Gibt es noch Kontakt zu dem Verein, bei dem sie ihre ersten sportlichen Schritte getan hat? „Zu meinen ehemaligen Trainern und dem Verein habe ich immer noch guten Kontakt. Meine Schwester rudert auch noch im Faltbootclub. Und so bekomme ich natürlich immer mit, was dort so passiert.“
Wie sind ihre Erwartungen zur Stadt Tokio? „Die Regeln bezüglich Corona werden im Camp streng sein und zur Kultur dort habe ich fast keine Vorstellungen. Aber wir werden aus dem Olympischen Dorf auch gar nicht herauskommen“, vermutet sie.
Würde sie jungen Menschen raten, das Kanufahren als Sport zu testen? „Auf jeden Fall ausprobieren!“, meint Melanie. „Man ist in der Natur und man bewegt sich.“ Wer sich fürs Kanufahren in Hof interessiert, kann sich beim Faltbootclub Hof e. V. 1932 melden. Jeder, der die Kunst des Paddelns im Kajak oder Kanu erlernen möchte, ist stets willkommen – schreibt der Verein auf seiner Homepage. Heike Richter