Die Menschen in dem Buch heißen Karl oder Norbert, Hanna oder Sophie. Die Namen sind erfunden, ihre Geschichten aber zumeist nicht. Ralf Sziegoleit, bekannt als langjähriger Kulturressort-Chef der Frankenpost, hat in seinem zweiten Buch aus seinen Erinnerungen an Kollegen, Freunde und Bekannte geschöpft und dabei mit manchen Zeitgenossen auch ziemlich eiskalt abgerechnet. Dabei scheinen die Schilderungen oft tiefen Einblick in die jeweilige Persönlichkeit zu gewähren. Wir haben nachgefragt bei Ralf Sziegoleit:
Wie kommt es, dass Sie so viele intime und pikante Details aus dem Leben anderer Menschen kennen?
Der tiefe Einblick täuscht. Was ich da über den einen oder die andere geschrieben habe, muss nicht immer der Wahrheit entsprechen. Die Geschichten sind zwar nicht frei erfunden, ihr Stoff kommt aus der Wirklichkeit. Aber die Details sind interpretiert. Manche der Figuren sind Zerrbilder mit unterschiedlichen Graden der Verfremdung. Einige der Begegnungen lagen auch einfach schon so weit zurück, dass ich die Erinnerungslücken mithilfe der Fantasie schließen musste.
Dennoch kommen manche Beschreibungen den realen Menschen auch schon sehr nahe. Rechnen Sie nicht mit Beschwerden oder Anfeindungen?
Schon vor der Veröffentlichung und auch danach habe ich mir durchaus die Frage gestellt, wie so ein Buch aufgenommen wird. Ein Schulfreund, den ich im Vorfeld einen Teil der Geschichten lesen ließ, antwortete, sie seien gut und sollten veröffentlicht werden. Aber gewisse Bedenken sind natürlich geblieben. Andererseits betone ich in der Vorbemerkung, dass es sich keineswegs um wahre Geschichten handelt, sondern um Fiktionen aus der Wirklichkeit. Am liebsten wären mir Leser, die gar nicht danach fragen, von welchen realen Personen die Texte inspiriert wurden, und bei manchen ist das auch gar nicht zu erkennen. Die Geschichten sollen für sich stehen und dadurch wirken, dass sie gut geschrieben und interessant sind. Sie handeln von gewöhnlichen Menschen in oft ungewöhnlichen Situationen. Als Motto habe ich den Wahlspruch des Psychiaters Dr. Lothar Franz aus Rehau gewählt: Jeder Mensch ist eine Sensation.
Die Angst, andere vor den Kopf zu stoßen, führt zu gefälligem Schreiben. Wie schafft man es, seine Bedenken über Bord zu werfen und kritisch zu bleiben, auch wenn es anderen vielleicht wehtut?
Ich habe in einer Zeit in dem Beruf angefangen, als kritischer Journalismus gefragt war. Man konnte und sollte nicht gefällig, sondern klar, deutlich und sogar schonungslos schreiben. Auch wenn sich da manches geändert hat, bleibt es meine Überzeugung, dass man seine Meinung sagen sollte. In dem Buch schreibe ich über Begebenheiten, die mich bewegt und zum Teil auch geärgert haben. Und weil ich „Künstlerpech“ nicht als Journalist verfasste, musste ich mich auch nicht an Fakten halten, sondern genoss künstlerische Freiheit, mischte sozusagen Dichtung und Wahrheit.
Zur Person:
Ralf Sziegoleit wurde 1942 in Gumbinnen in Ostpreußen geboren. 1962 begann er eine journalistische Laufbahn und arbeitete lange Zeit als verantwortlicher Redakteur im Ressort Kultur der Frankenpost. Seit 2007 ist er im Ruhestand, schreibt aber weiter freiberuflich über Kunst und Kultur in Hof. Neben vielen tausend Zeitungsartikeln verfasste er auch Texte für Kataloge. Außerdem veröffentlichte er 2020 das Buch „Was macht die Kunst?“ über die Kunstszene in Stadt und Landkreis Hof von 1945 bis 2019.
Durch Ihre Texte geistern auffallend viele labile Gestalten. Die Figuren machen immer wieder die gleichen verhängnisvollen Fehler, ruinieren sich ihre Beziehungen, leiden körperlich und seelisch, fallen nicht selten diversen Süchten zum Opfer. Gewähren Sie damit einen Blick in die Abgründe der Künstlerszene?
Eine solche Szene ist zu vielfältig, um sie pauschal zu betrachten. Und man kennt einen Menschen auch nie in all seinen Facetten, sondern hat immer nur den Ausschnitt vor sich, den der eigene Blick erfasst. Das verbindende Element in dem Buch bin letztlich ich selbst, sozusagen die Hauptfigur, denn ich schildere alles aus meinem subjektiven Erleben heraus. Die Texte sind also immer auch Selbstbildnisse des Autors, die sich mit den Bildnissen anderer vermischen. Vielleicht liegt darin der Grund, wenn man Übereinstimmungen zu finden meint.
Wie würden Sie Ihre Veröffentlichung selbst einordnen – vielleicht als lokales Enthüllungsbuch mit autobiografischen Zügen?
Tatsächlich würde ich es als zweiten Teil meiner Memoiren bezeichnen, wenn auch mit anderen Mitteln. In meinem ersten Buch schrieb ich über die Hofer Kunstszene, wie ich sie in Jahrzehnten erlebt habe, und auch da stand ich als Betrachter im Zentrum. Ich führe zwar ein Leben, das so unspektakulär ist, dass es keine Memoiren braucht, aber über Kunst und Begegnungen mit Künstlern kann man nur ganz subjektiv schreiben. Sollte noch ein drittes Buch entstehen, was sehr wahrscheinlich ist, wird es sicher wieder ganz anders werden. Aber ich stelle es mir als meiner Memoiren dritten Teil vor.
Die Fragen stellte Manfred Köhler
Info:
Das Buch „Künstlerpech – Paargeschichten“, erschienen in der Edition Kunstverein Hof, hat 136 Seiten, Großformat, Hardcover, Umschlaggestaltung von Max Dietz; es kostet 12 Euro und ist erhältlich über info@kunstverein-hof.de und beim lokalen Buchhandel.