Die Hofer Wärschtlamänner feiern heuer 150. Jubiläum: Seit dem Jahr 1871 sind sie in Hof unterwegs und verkaufen ihre Wienerla, Knacker oder Bauern. Viel hat sich in den 150 Jahren geändert, aber das Erscheinungsbild der Wärschtlamänner mit ihrem typischen Messingkessel und dem großen Korb für die Brötchen ist immer gleich geblieben. Aus Anlass des Jubiläums haben wir bereits die sechs Wärschtlamänner vorgestellt, die in Hof heute noch mit Kessel und Brötchenkorb an einem bestimmten Standort ausharren. Auf Eddie Rauh trifft das zwar nicht mehr zu, aber gerade er verkörpert wie kein anderer die große Hofer Tradition. Denn er entstammt einer regelrechten Wärschtlamo-Dynastie und wuchs schon als Kind in das Geschäft hinein.
Eddie Rauhs Großvater Erhard Rauh war noch ein Wärschtlamo vom alten Schlag. Geboren wurde er 1888 in Hof, also gerade mal 17 Jahre nachdem der Berufsstand des Wärschtlamos entstanden war. Zwar lernte und arbeitete Erhard Rauh zunächst bei der Eisenbahn; aber nach dem Krieg wurde er zum klassischen Wärschtlamo. Von seiner Wohnung in der Weberstraße aus habe er täglich bei Wind und Wetter seine Ausrüstung bis zum alten Finanzamt in der Jahnstraße hoch geschleppt, erzählt Eddie Rauh. Rund 18 Kilo habe er wohl insgesamt „herumgezerrt“ – vom gefüllten Kessel und Brötchenkorb bis hin zu den Kohle-, Wasser- und Wurstvorräten. Auch die traditionelle Lederjacke sei nicht gerade leicht gewesen und habe ordentlich zum Gesamtgewicht beigetragen. Aus Erfahrung weiß Eddie Rauh: „Mit heute ist das alles nicht zu vergleichen.“
Wohl alle Hofer sind dem Abbild des Ur-Wärschtlamos Erhard Rauh schon mal begegnet – denn er war es, der mit dem Wärschtlamo-Denkmal auf dem Sonnenplatz verewigt wurde. „Der Künstler stammte aus Wien und war mehrmals in Hof, um meinen Großvater für das geplante Standbild zu zeichnen und zu fotografieren“, berichtet Eddie Rauh. Das Denkmal sei dann sehr gut gelungen, es zeige sogar die typische leicht schiefe Körperhaltung des lebendigen Vorbildes.
Nicht nur Erhard Rauh wurde in Hof als Wärschtlamo zur Legende. Auch an Eddie Rauhs Mutter Annie Rauh erinnern sich noch viele ältere Hofer. So unterstützte sie anfangs ihren Vater bei seiner Tätigkeit als Wärschtlamo und betrieb später jahrelang einen Imbiss im ehemaligen Pförtnerhaus des Hofer E-Werks, das damals direkt gegenüber vom Hallenbad lag. Bei zahlreichen Sommerfesten in und um Hof – zum Beispiel beim „Wald- und Wiesenfest“ im Rödelswäldchen am Stein – habe die ganze Familie zusammengeholfen und zum Beispiel Bratwürste (damals noch ohne Senf!) oder Fischbrötchen verkauft. Der Stand bei solchen Gelegenheiten sei denkbar einfach gewesen: eine Bruck, also ein aufgestütztes Brett, und darauf Grill und Wurstkessel. Eine Überdachung habe es nicht gebraucht: „Es hat ja fast nie geregnet.“

Einmal aber habe es dann doch so richtig sauliert in Hof, und zwar beim Volksfest 1958. „Wir haben uns an unseren Stand geklammert, damit er nicht wegflog“, erinnert sich Eddie Rauh. Die Leute seien scharenweise in die alte Freiheitshalle geflüchtet, aber dort sei nicht genug Platz für alle gewesen. Der Sturm habe derart getobt, dass sogar die Achterbahn verschoben worden sei. Aber ans Abbrechen habe damals niemand gedacht: „Man konnte zwar nicht mehr Achterbahn fahren, aber das Feuerwerk wurde an dem Tag trotzdem abgebrannt.“
Eddie Rauh, der als Kind bei solchen Veranstaltungen auch schon mal in der Kohlenkiste zusammengerollt eingeschlafen sei, wurde dann später selbst Wärschtlamo, und zwar anfangs ganz traditionell wie sein Großvater. Aber dann habe er gesehen, wie Kollegen ihre Würste aus dem Auto heraus verkauften und sich damit viel leichter taten. „Da dachte ich mir, das kann ich auch“, erinnert sich Eddie Rauh. Und so wurde das sein Beruf, den er bis heute ausübt: nicht mehr Wärschtlamo, sondern „Fleischermo“. Unter anderem 15 Jahre lang habe er auf diese Weise Hofer Metzgereiartikel auch nach Rehau „exportiert“. Noch heute fährt Eddie Rauh zusammen mit seiner Frau im Imbisswagen Hofer Schulen ab. Die Handwerkskammer ist jeweils zweimal Station – früh als erstes und mittags als letztes.
Nach diesem Rhythmus wollen die Rauhs auch weiterhin leben, obwohl Eddie heuer seinen 75. Geburtstag gefeiert hat. „Was soll ich denn sonst machen, in die Luft schauen?“, fragt er scherzhaft. Sein Job habe ihm immer Spaß gemacht. Wenn andere Wärschtlamänner ihn um Rat gefragt hätten, habe dieser Rat stets gelautet: „Das Wichtigste ist Zuverlässigkeit. Man muss jeden Tag für seine Kunden da sein. Immer.“
Nach drei Generationen der Familie Rauh im Hofer Wärschtla-Geschäft wird damit allerdings Schluss sein. Die Kinder hätten sich andere Berufe gesucht, und das sei auch in Ordnung. „Mein Geschäft stirbt mit mir einmal aus“, sagt Eddie Rauh, aber verspricht: „Die nächsten zehn Jahre mache ich die Arbeit bestimmt noch.“ Manfred Köhler