Jazz ist eine Seelentrösterin auf vier Beinen. Zusammen mit ihrem Frauchen Inge Bahlmann besucht sie Menschen, die nicht mehr viel vom Leben haben, sehr krank sind oder aufs Sterben warten. Für die Zeit, in der Jazz im Zimmer ist, blühen diese Menschen auf, werden munter und finden ihr Lachen wieder.
Inge Bahlmann und Jazz sind eines von 15 ehrenamtlichen Teams des Vereins „Mein Assistenzhund e. V.“, die in Hochfranken und darüber hinaus bei bis zu 100 Einsätzen im Jahr unter anderem Seniorenheime oder Hospize besuchen, um den Menschen dort ein paar – vielleicht letzte – glückliche Augenblicke zu schenken.
Der Verein, den Inge Bahlmann zusammen mit ihrem Mann, dem Hofer Rechtsanwalt Dr. Christoph Bahlmann, und weiteren Hundeliebhabern und Fachleuten vor neun Jahren gegründet hat, bildet die Besuchsteams aus und koordiniert sie.
Doch die Arbeit des Vereins geht noch weit darüber hinaus. Neben den Therapiehunden werden in Zusammenarbeit mit der Hundeschule Wolfstein in Selbitz auch Diabetiker-Warnhunde und Epilepsie-Warnhunde ausgebildet. Hier geht es ganz konkret um Menschenleben: „Die Hunde sind darauf trainiert, Diabetiker oder Epilepsiekranke kurz vor einem Anfall zu warnen“, erläutert Dr. Bahlmann, der als Vorsitzender des Vereins wirkt. Die Hunde könnten außerdem zum Beispiel Rettungsknöpfe drücken oder Notfallpakete holen.
Die Aufgaben von Therapiehündin Jazz sind nicht so kompliziert. Bei der sechsjährigen Labrador-Dame, die seit vier Jahren als Seelentrösterin im Einsatz ist, genügt die bloße Anwesenheit im Raum, um Menschen zu helfen. Inge Bahlmann hat dabei schon die erstaunlichsten Verwandlungen erlebt: „Senioren, die zuletzt nur noch gesessen waren, erhoben sich, um für Jazz den Ball zu werfen“, erzählt sie. Jazz und die anderen Therapiehunde der Vereinsteams gingen dabei instinktiv auf jeden Heimbewohner ein. Oder anders ausgedrückt: „Sie holen die Menschen in dem Stadium ab, in dem sie gerade sind.“ Wenn ein Kranker sich zum Beispiel kaum noch bewegen könne, sitze der Hund auch einfach nur da und lasse sich streicheln.
Corona hat das Besuchsangebot der Bahlmanns und des Vereins nahezu zum Erliegen gebracht. Lediglich in einer Einrichtung, dem Hospiz Vogtland der Diakonie Auerbach in Falkenstein, konnte Inge Bahlmann mit Jazz fast regelmäßig vorbeikommen. Wir haben beim Leiter des Hospizes Christian Wilke (Foto) nachgefragt, was die Seelenhündin Jazz dort, gerade auch in der Coronazeit, bisher bewirkt hat.
Wie ergab es sich, dass Ihr Hospiz den Besuchsdienst anbietet?
Im Jahr 2018 kam der Kontakt zu Frau Bahlmann bei einer Informationsveranstaltung zustande. Frau Bahlmann kam auf uns zu, berichtete von ihrer Arbeit mit den Therapiehunden und bot an, auch bei uns im Hospiz vorbeizukommen.
Wie verliefen die ersten Besuche?
Die ersten Besuche verliefen in einer ruhigen und kollegialen Atmosphäre. Frau Bahlmann erklärte die Einsatzmöglichkeiten von Jazz, und die Mitarbeiter zeigten die Räumlichkeiten des Hospizes. Die Gäste, also unsere Patienten, und die Mitarbeiter haben Jazz gleich vom ersten Tag an ins Herz geschlossen. Jazz ist ein sehr liebevolles und gepflegtes Tier und versteht es, durch ihre einfühlsame Art schnell Kontakt zu unseren Gästen aufzubauen. Unter dem achtsamen Blick von Frau Bahlmann darf Jazz gestreichelt werden, es kann mit ihr gespielt werden, und oft wird auch mit Jazz gekuschelt.
Finden die Hospizbesuche regelmäßig oder auf Wunsch statt?
Wir freuen uns sehr und sind dankbar, dass Frau Bahlmann und Jazz zweimal im Monat zu uns ins Hospiz kommen. Es ist immer ein Highlight für unsere Gäste in ihrem Alltag. Die Besuchstermine stehen dann auch an unserer Info-Wand, wo Jazz und Frau Bahlmann sich vorstellen. Dadurch haben auch neue Gäste die Möglichkeit, sich zu informieren und sich schon einmal ein Bild von Frau Bahlmann und Jazz zu machen.
Funktioniert das Angebot bei manchen Ihrer Patienten gar nicht?
Bei uns im Hospiz wird über die Biografien der Menschen herausgearbeitet, ob ein Gast Haustiere hat oder hatte und welche. Daraus ergibt sich schon meist, ob ein Gast Kontakt zu Jazz haben möchte oder eben auch nicht. An dem jeweiligen Tag, an dem Jazz und Frau Bahlmann zu uns ins Hospiz kommen, wird jeder Gast noch einmal individuell gefragt, ob ein Kontakt zu Jazz gewünscht wird. Natürlich steht es jedem Gast frei zu wählen, ob er Jazz empfangen möchte oder nicht. Manche Menschen lehnen Kontakte zu Tieren oder auch speziell zu Hunden ab. Außerdem gibt es auch Menschen, die zum Beispiel eine Tierhaarallergie haben. Wir respektieren die jeweilige Meinung. Aber die meisten Gäste wünschen einen Besuch von Jazz und freuen sich schon immer sehr darauf.
Was waren die bisher rührendsten Begegnungen? Gibt es besondere Geschichten?
Dazu fällt mir spontan eine ergreifende Begegnung ein: Ein Gast war schon sehr schwach und immobil, und er war nicht mehr in der Lage sein Bett zu verlassen. Jazz und Frau Bahlmann waren gerade am Geburtstag des Gastes im Hospiz. Frau Bahlmann hatte ein kleines Schild gebastelt, auf dem Happy Birthday stand. Das Schild war mit einer kleinen Schlaufe versehen, sodass Jazz mit dem Schild im Maul in das Zimmer des Gastes kam. Der Gast war so sehr gerührt von dieser liebevollen Geste, dass er vor Freude zu weinen begann. Noch Tage später erzählte der Gast von dieser Begegnung.
Manche Menschen lassen sich mit den Hunden auch fotografieren. Was hat es damit auf sich?
Ich weiß aus Gesprächen mit unseren Gästen und den Angehörigen, dass die Fotos mit Jazz dabei helfen, sich wieder an die Begegnung mit Jazz zu erinnern und an die Gefühle, die damit verbunden sind. Die meisten Gäste beschreiben, dass sie durch den Kontakt und die Zuwendung von Jazz abgelenkt werden von ihren Erkrankungen, dass sie Freude und Entspannung empfanden und auch Trost.
Was sagen Ärzte oder andere Experten zu dieser Wirkung der Tiere auf die Menschen?
Was wir bisher aus unserer Erfahrung sagen können, ist, dass Jazz einen positiven Einfluss auf die Psyche und das Wohlbefinden unserer Gäste hat. Durch die Zuwendung und den Kontakt zu Jazz wirken die meisten Gäste dann ruhiger und ausgeglichener. Einige Gäste berichteten auch davon, dass der Kontakt zu Jazz ihnen geholfen hat, ein paar Minuten von ihrem schweren Krankheitsverlauf abzuschalten und einfach nur den Moment zu genießen. Daraus schöpfen dann viele Gäste auch wieder Kraft für ihren Weg. Manfred Köhler
Wer sich über den Verein „Mein Assistenzhund e. V.“ informieren möchte, sucht am besten im Internet unter www.mein-assistenz-hund.de. Neue zwei- und vierbeinige Teilnehmer für die Besuchsteams sind immer gefragt. Bei den Hunden gibt es keine Größenbeschränkungen. Sozusagen alle zwischen fünf und 50 Kilo können mitmachen. Einzige Voraussetzung: Der Hund muss ein liebenswertes Wesen haben und darf fremde Menschen nicht anknurren. Außerdem muss er eine Ausbildung durchlaufen.