Die Hofer Wärschtlamänner feiern heuer 150. Jubiläum: Seit dem Jahr 1871 sind sie in Hof unterwegs und verkaufen ihre Wienerla, Knacker oder Bauern. Viel hat sich in den 150 Jahren geändert, aber das Erscheinungsbild der Wärschtlamänner mit ihrem typischen Messingkessel und dem großen Korb für die Brötchen ist immer gleich geblieben. Aus Anlass des Jubiläums stellen wir alle sechs derzeit in Hof aktiven Wärschtlamänner in einer Serie vor. Los geht es mit Marcus Traub.
Der 52-jährige gebürtige Hofer Marcus Traub ist seit genau 16 Jahren als Wärschtlamo aktiv. Für seinen Beruf ist er doppelt qualifiziert, da er zuvor sowohl im Einzelhandel als auch in der Gastronomie gearbeitet hat. Nach seiner Schulzeit in der Angerschule, der Christian-Wolfrum-Schule und der Wirtschaftsschule lernte er Einzelhandelskaufmann im damaligen Hofer Sportgeschäft „Saale-Sport“ des einstigen Hofer Fußball-Stars Tommy Bruchner. Als die Bundeswehr rief, verpflichtete sich Marcus Traub gleich für acht Jahre und nutzte die Zeit, sein Abitur nachzuholen. Er stand im Rang eines Oberfeldwebels, als seine Einheit in der Wendezeit aufgelöst wurde.
Danach folgten wechselnde Tätigkeiten in einer Heizungsbaufirma, als Betreiber der Ausflugsgaststätte Waldfrieden und in der Versicherungsbranche. Seit 22. November 2004 ist Marcus Traub ein Hofer Wärschtlamo. „In meiner Anfangszeit waren wir noch zu elft“, erinnert er sich. Die derzeitige Anzahl eines runden halben Dutzends sei jedoch perfekt. Außerdem habe er mit seinem heutigen Standort die ideale Schnittstelle zweier großer Hofer Laufwege gefunden.
Interessanterweise ist für einen Hofer Wärschtlamo die Lage allein jedoch nicht alles, sondern es zählt der wirklich exakte Standort. „Anfangs stand ich noch direkt unter dem Vordach des Bekleidungshauses Finck“, erzählt Marcus Traub. „Aber da war ich in einer Art totem Winkel.“ Erst seit er die paar Meter vom Finck weg in Richtung Oberes Tor gewandert sei, laufe es so richtig gut.
Natürlich ist Marcus Traub an diesem Ort der Witterung voll ausgesetzt – nur ein Sonnenschirm schützt ihn und seine Ausrüstung. „Da ist jetzt im Winter Thermo-Unterwäsche und entsprechend warme Kleidung ganz besonders wichtig“, stellt er fest. Allerdings härte man bei Wind und Wetter im Freien im Lauf der Jahre nicht ab, sondern werde eher kälteempfindlicher. Hilfreich sei es da vor allem, möglichst ständig in Bewegung zu bleiben. Freilich sinke die Kundenfrequenz, je schlechter das Wetter sei. Und folglich auch die Aktivität. Besonders schlimm sei es bei starkem Wind verbunden mit Regen. Da sei es dann auch schon mal nicht zu vermeiden, dass man vor der Zeit abbreche.
Allerdings sei es wichtig, seinen Posten so selten wie möglich und wirklich nur im Notfall zu verlassen. Marcus Traub hat feste Standzeiten und veröffentlicht sie auch auf seiner Homepage www.wärschtverrickt.de.„Die Kunden gewöhnen sich daran und nehmen es übel, wenn man blau macht“, weiß er. Die meisten seiner Stammkunden kennt er namentlich und begrüßt sie mit Vornamen. Dieser direkte Kontakt funktioniert auch in der Corona-Zeit mit Maske im Freien – allerdings hätten die Corona-Beschränkungen ihm dennoch das Geschäft ganz schön verhagelt: „In der Zeit des ersten Lockdowns war es fast ständig wie am Heiligabend nach 17 Uhr“, erinnert er sich. Auch aktuell fehle ihm ein wichtiges Standbein, nämlich Buchungen bei Messen und anderen großen Veranstaltungen. Da sei die Nachfrage nach Hofer Wärschtla oft gigantisch: „Einmal habe ich in Leipzig an einem Tag über 1.500 Paar unter die Leute gebracht mich dabei so eingespannt gefühlt wie Charlie Chaplin in seinem Film Moderne Zeiten“, scherzt er.
Für körperliche Einsätze solcher Art ist Marcus Traub bestens gerüstet, denn sein großes Hobby ist seit jeher der Sport. In jungen Jahren betrieb er Modernen Fünfkampf, später nahm er an insgesamt neun Berlin-Marathons teil. Bis heute läuft er regelmäßig. Seine Kondition hilft ihm nicht nur im Job, sondern auch in Sondersituationen. Ein Wärschtlamo-Anekdote von Marcus Traub geht genau in diese Richtung: „Aus dem Finck flüchtete vor Jahren mal ein Ladendieb“, erzählt er. Der Verkäufer sei nicht gut zu Fuß gewesen, also nahm Marcus Traub die Verfolgung auf und entriss dem Dieb die Beute. Lachend berichtet er: „Der Kerl war zwar nur halb so alt wie ich – aber ich war doppelt so schnell.“
Manfred Köhler