
„Vom Tellerwäscher zum Millionär“ – das hätte sinngemäß seine Geschichte werden können. Der Autodidakt Johann Wolfgang Döbereiner aber zog es vor, kein Kapital aus seiner Begabung als Wissenschaftler und seinen Erfindungen zu ziehen. Für die Chemie hat der unermüdliche Forscher Bahnbrechendes geleistet – auch mit Unterstützung eines berühmten Mannes gleichen Vornamens.
Eine Karriere als Wissenschaftler ist Johann Wolfgang Döbereiner nicht in die Wiege gelegt. Er kommt am 13. Dezember 1780 in Hof als Sohn des Kutschers Johann Adam Döbereiner zur Welt. Er wächst auf dem Rittergut Bug bei Weißdorf auf, wo sein Vater als Kutscher, später als Forst- und Gutsverwalter tätig ist. Finanziell gut gestellt ist die Familie nicht. Von ärmlichsten Verhältnissen ist in Biografien über ihn zu lesen.
1794 beginnt er, nach mäßiger Schulbildung, eine Lehre als Apotheker in Münchberg, die er 1797 abschließt. Seine anschließenden Wanderjahre, in denen er sich bereits autodidaktisch weitreichende Kenntnisse in Chemie, Botanik und Mineralogie aneignet, führen ihn als Apothekengeselle nach Dillenburg, Karlsruhe und Straßburg. 1802 kehrt er nach Oberfranken zurück, heiratet 1803 die Münchbergerin Clara Knab. Beruflich und finanziell kommt er aber auch in der alten Heimat nicht auf die Beine. Seine Mittel für den Kauf einer ersehnten Apothekerkonzession reichen nicht aus. Die von ihm in Gefrees erworbene Drogen- und Landesproduktenhandlung muss er 1806 wegen Behinderung durch neidische Konkurrenten aufgeben. Weitere Arbeitsstellen sind ebenfalls nicht von langer Dauer: Er betreut im Baumwollgeschäft seines Schwagers in Münchberg die Färberei und Bleicherei, bis die Folgen der Kontinentalsperre das Geschäft unrentabel machen. Dort befasst er sich ausführlich mit den chemischen Prozessen beim Färben und Bleichen. Danach wird Döbereiner Brauereiverwalter in Sankt Johannis bei Bayreuth. Das Gut aber wird verkauft und die Brauerei samt Brennerei aufgelassen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse hat er bis dahin schon einige publiziert.

Erste Veröffentlichungen, beispielsweise zur Verbesserung der Bleiweißgewinnung, finden sich schon in den Jahren 1802 bis 1804. Doch mehr als Aufmerksamkeit in der Fachwelt bringt ihm das nicht ein. So steht er 1810, 30 Jahre alt und mittlerweile schon dreifacher Familienvater, buchstäblich mit leeren Händen da. Also zögert er nicht, dem Ruf an die Universität Jena zu folgen, der ihn in Form eines Briefes des akademischen Senats am 25. August 1810 erreicht. Obwohl er zunächst glaubte, der Brief gelte nicht ihm, war er doch adressiert an „Herrn Profeßor Doctor Döbereiner zu St. Johannis bei Bayreuth“.
Zu verdanken hat Döbereiner den Ruf nach Jena, wo er sein ganzes weiteres Leben bleiben wird, Adolf Ferdinand Gehlen, Chemiker der Königlichen Akademie in München und Herausgeber des „Journal für die Chemie und Physik“, in dem Döbereiner eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht hat. Er empfiehlt ihn an Carl August, Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach und seinen Minister und Berater Johann Wolfgang von Goethe, die auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger des verstorbenen Lehrstuhlinhabers Göttling sind.
Döbereiner ist als gelernter Apotheker ohne akademische Ausbildung, hat erst recht keinen Doktortitel und wird dennoch zum außerordentlichen Professor für Chemie, Pharmazie und Technologie berufen. Als Voraussetzung für seine Tätigkeit an der Universität verleiht ihm die Philosophische Fakultät am 30. November 1810 den Titel „Dr. phil.“, der kostenpflichtig ist und den er zur Hälfte bezahlen muss. Im Jahr 1819 wird er ordentlicher Professor für Chemie. Das Vertrauen und die fortwährende Förderung seiner Forschungen durch den Herzog und Goethe dankt Döbereiner seinen Gönnern mit lebenslanger Treue. Er schlägt Berufungen nach Bonn, Halle, München, Würzburg und sogar an die Universität Dorpat in Estland aus, obwohl ihm letztere einen erblichen Adelstitel und ein hohes Gehalt verspricht.
Doch Kaufmann und auf Reichtum aus ist Döbereiner Zeit seines Lebens nicht. Reich wird er auch in Jena nicht und muss ständig um das Wohl seiner Frau und der neun Kinder besorgt sein. Was ihn aber nicht davon abhält, auf die Patentierung seines 1823 erfundenen und nach ihm benannten „Döbereiner-Feuerzeug“ zu verzichten und Herstellung, Vertrieb damit auch den Gewinn anderen zu überlassen. Für ihn selbst ist seine Entdeckung „zum Eigenthume der Welt um damit dieser und der Wissenschaft […] seine Huldigung darzubringen.“
Die Funktionsweise des Feuerzeugs beruht auf einem der wichtigsten Forschungsergebnisse Döbereiners. Er stellte fest, dass sich Wasserstoff im Gemisch mit Sauerstoff an einem Platinschwamm bei normaler Temperatur entzündet. Gleichzeitig entdeckte er damit das Katalyseprinzip, auf dem der „Kat“ in unseren Pkws beruht. Mit dem Feuerzeug war es möglich, Feuer ohne Stahl, Feuerstein und Schwamm zu erzeugen – was zur damaligen Zeit einer Revolution gleichkam. Fünf Jahre nach der Erfindung sollen bereits 20.000 Exemplare verkauft worden sein. Auch Goethe nutzt es und lobt, „daß es eine höchst angenehme Empfindung sey, wenn wir eine bedeutende Entdeckung irgend einer Naturkraft technisch alsobald zu irgend einem nützlichen Gebrauch eingeleitet sehen“.
Als chemischer Berater des Herzogs beschäftigt sich Döbereiner ohnehin mit der Verbesserung von Herstellungsverfahren. So stammen von ihm beispielsweise die Grundlagen zur Herstellung von Farbstoffextrakten aus Pflanzen, von seinen Pionierarbeiten auf den Gebieten der Gärungs- und Essigsäureforschung profitiert besonders die Essigsäurefabrikation.
Seine Experimentierfreudigkeit schlägt sich auch in seiner hervorragenden Lehrtätigkeit nieder. Er bezieht in die Vorlesungen Experimente ein. Damit wird Döbereiner in Deutschland zum Wegbereiter von chemischen Praktika im universitären Lehrbetrieb – weit vor Justus von Liebig.
Döbereiners Forschungen bringen zudem wegweisende Erkenntnisse in der theoretischen Chemie. Er gilt als Vordenker des Periodensystems der Elemente. Döbereiner stellt bereits 1816 fest, dass es gewisse Verhältnisgesetze im Aufbau der chemischen Elemente gibt. Er findet Dreiergruppen („Triaden“), bei denen das Atomgewicht des mittleren Elementes ungefähr dem arithmetischen Mittel der beiden äußeren entspricht. Obwohl erst 1829 veröffentlicht, bleiben seine Erkenntnisse noch weitere zwei Jahrzehnte unbeachtet und münden erst 1870 in das heute bekannten Periodensystem.
Das erlebt Döbereiner nicht mehr. Am 24. März 1849 stirbt er in Jena. In einem Nachruf heißt es, dass seine Arbeiten „den Stempel der Genialität und Vollendung an sich trugen“. Zu Lebzeiten hat er es nicht verstanden, daraus für sich einen Nutzen zu ziehen.
Sabine Schaller-John