„Jeder extrem Dicke, der sagt, ‚Ich fühle mich wohl so wie ich bin‘ lügt sich in die eigene Tasche“, sagt Silvija Yobas. Die 43-Jährige weiß, wovon sie spricht. Noch vor einem Jahr brachte sie 64 Kilo mehr auf die Waage und hatte mit zahlreichen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Ein Vortrag zum Thema Adipositas brachte die Wende. Eigentlich war Silvija Yobas nur als Begleitung einer Freundin mitgekommen. Doch der Erfahrungsbericht von Andreas Flüs, der sich vor einigen Jahren einer Adipositas-Operation unterzog und heute Leiter und Koordinator des Adipositaszentrums in Remscheid ist, ließ sie nicht mehr los.
Yobas wurde nach dem Vortrag beim Adipositaszentrum des Sana Klinikum Hof vorstellig, ließ sich beraten und entschied sich schließlich für eine Operation. Und noch etwas hat sie dem damaligen Referenten Andreas Flüs gleichgetan: Die gelernte Medizinische Fachangestellte arbeitet inzwischen als Koordinatorin des Hofer Adipositaszentrums. Dort ist sie erste Ansprechpartnerin für hilfesuchende Menschen, stellt auf Wunsch Kontakt zu den Ärzten her und begleitet Patienten, die sich für eine Operation entscheiden, auf ihrem Weg.
Mit Leidenschaft bringt die Hoferin in ihrem Job ihre eigenen Erfahrungen ein. Schon beim Erstkontakt wird deutlich: Hier wird niemand aufgrund seines Gewichts stigmatisiert. Dr. Michael Dykta, Oberarzt der Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie und Leiter des Adipositaszentrums am Sana Klinikum Hof, betont: „Hier sind alle Patienten willkommen wie sie sind.“ Es sei längst wissenschaftlich erwiesen, dass bei der Krankheit Adipositas von einer Schuld des Patienten keine Rede sein könne. Ab einem gewissen Grad des Übergewichts können Diäten kaum mehr eine langfristige Wirkung erzielen. Der Körper wolle immer wieder zu seinem höchsten jemals erreichten Gewicht zurückkehren.
Von Adipositas spricht man bei einem Body Mass Index von über 30. Operationen werden in der Regel erst ab einem BMI von 35 durchgeführt – und auch nur dann, wenn bereits Nebenerkrankungen vorliegen. Bei einem BMI über 40 müssen keine Nebenerkrankungen nachgewiesen sein. Wer für eine Operation in Frage kommt und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, erläutert das Team des Adipositaszentrums. Es besteht aus Ärzten und Therapeuten aus dem Sana-Verbund, die mit niedergelassenen Ärzten und Therapeuten zusammenarbeiten.
Das Adipositaszentrum Hof im Sana Klinikum ist erreichbar unter Telefon 09281/98-3818 oder E-Mail silvija.yobas@sana.de. Beratungsgespräche sind kostenlos und unverbindlich, es muss jedoch zuvor ein Termin vereinbart werden (Terminvereinbarung für Beratungen Montag von 9 bis 12 Uhr). Wer sich für eine Operation entscheidet, wird von Koordinatorin Silvija Yobas und den zuständigen Fachärzten auch bei Verhandlungen mit der Krankenkasse und Anträgen zur Kostenübernahme unterstützt.
Unabhängig von der Entscheidung über eine mögliche Operation steht die Adipositas Selbsthilfegruppe Hof, die sich an jedem ersten Donnerstag im Monat um 17 Uhr in der Münch-Ferber-Villa trifft, allen Interessierten und Ratsuchenden offen. Hier tauschen sich sowohl Menschen aus, für die keine Operation in Frage kommt, als auch frisch Operierte und solche, die seit ihrer Operation schon 80 bis 90 Kilo abgenommen haben. Kontakt zur Selbsthilfegruppe gibt es über die AOK-Selbsthilfekontaktstelle unter Telefon 09281/540390-590.
Dass dieses Wissen in der Gesellschaft noch nicht angekommen ist, hat Silvija Yobas am eigenen Leib erfahren. „Ich hab die Dicken-Witze immer selbst gerissen, noch bevor sie jemand anders über mich machen konnte“, erzählt die lebenslustige Frau. Doch wohlgefühlt hat sie sich längst nicht mehr in ihrem Körper, zumal sie mit Kurzatmigkeit, Bluthochdruck, Gelenkschmerzen und anderen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Heute kann die zweifache Mutter nicht nur wieder mit ihren Kindern herumtoben, sondern geht auch mehrmals pro Woche ins Fitnessstudio: „Weil’s Bock macht.“
Wie sich Silvija Yobas Lebensgefühl seit der Operation verändert hat, kann die Hoferin kaum in Worte fassen: „Das ist einfach unbeschreiblich“. Dass der Weg dahin kein einfacher war, verhehlt sie in ihren Beratungsgesprächen nicht. „Man muss diese Entscheidung bewusst treffen und sich darauf einlassen. Das ist ein harter Weg – aber er lohnt sich.“
Weil ihr Magen im Rahmen der Operation deutlich verkleinert wurde, kann Yobas für den Rest ihres Lebens nur noch sehr kleine Portionen zu sich nehmen. „Beim Kochen ausgiebig abschmecken funktioniert nicht mehr – sonst brauche ich mich anschließend gar nicht mehr mit meiner Familie an den Tisch zu setzen.“ Was die 43-Jährige jedoch positiv überrascht hat, ist, dass sie trotz der extremen Gewichtsabnahme nie Hunger leiden musste: „Seit 15. Mai vergangenen Jahres hatte ich keinen Hunger mehr.“ Im Mai endete für Silvija Yobas die Phase nach der Operation, in der die Patienten zunächst nur Flüssignahrung zu sich nehmen können. Anschließend gilt es die Ernährung umzustellen, bewusst zu essen, nur noch kleine Portionen und dafür mehrmals täglich, sowie auf Lebenszeit Vitaminpräparate einzunehmen, um Mangelerscheinungen zu vermeiden.
Das Team des Adipositaszentrums kümmert sich auch nach der Operation um die Nachsorge. Kein Patient muss sich alleingelassen fühlen. Zusätzlich zur medizinischen Betreuung in Kooperation mit den Hausärzten stehen Koordinatorin Silvija Yobas und Ernährungsberaterin Victoria Tippelt den Patienten mit Rat und Tat zur Seite. „Die Art und Weise, sich zu ernähren, ändert sich durch eine Operation doch sehr“, weiß Yobas. „Unsere Ernährungsberaterin ist da eine wichtige Ansprechpartnerin und wertvolle Unterstützung.“
„Man darf niemanden zu einem solchen Schritt überreden“, sagt die Hoferin. In den langen und intensiven Erstgesprächen weist sie ausdrücklich darauf hin, welche Folgen eine Adipositas-Operation hat und dass man diese nicht mehr rückgängig machen kann. Dennoch würde sie sich immer wieder für eine Operation entscheiden: „Es geht hier längst nicht nur um die Optik, sondern um die komplette Lebensqualität.“
Silvija Yobas hat keinen Bluthochdruck mehr, ihre Schlaf-Apnoe hat sich deutlich gebessert, sie fühlt sich fit und gesund und hat alle Medikamente nach der Operation absetzen können. Nun muss sie sich keine Sorgen mehr machen, dass die Krankheit Adipositas ihre Lebenserwartung verkürzt und sie vielleicht bald nicht mehr für ihre Kinder da sein kann. „Auch der psychische Aspekt ist nicht zu unterschätzen.“ Nicht jeder Dicke, der über Dicken-Witze lacht oder vielleicht sogar selbst welche macht, findet seine Lage tatsächlich zum Lachen. Sandra Langer
5300 Kinder im Hofer Land betroffen
Unter Adipositas leiden bereits viele Kinder und Jugendliche − im Hofer Land etwa 5.300. Mit dem Projekt „Adi und Adine“ will die Gesundheitsregion Plus Stadt und Landkreis Hof in Zusammenarbeit mit Schulamt, AOK und Lions Club der steigenden Zahl adipöser Kinder entgegenwirken. Ziel des Projektes ist, Kindern spielerisch zu vermitteln, dass gesundes Essen gut schmecken kann, Bewegung Spaß macht und man sich damit stark und gesund fühlt. Das Motto lautet deshalb „In jedem steckt ein Superheld“, alle ersten und zweiten Klassen der Grundschulen im Landkreis und der Stadt Hof können dabei kostenlos teilnehmen. Bei der Auftaktveranstaltung waren Mitarbeiter der Gesundheitsregion in der Hofecker Grundschule zu Gast, um die Helden-Geschichte von „Adi und Adine“ zu erzählen und Bewegungsübungen beizubringen.