Ein Virus verändert das Leben. Was vor Wochen noch undenkbar war, ist nun in Hof und anderenorts Realität: Geschäfte haben geschlossen, Schulen und Kindertagesstätten sind zu, das Theater und Kinos haben ihren Betrieb eingestellt und sonntags gibt es keine Gottesdienste mehr. Das öffentliche Leben ist praktisch zum Erliegen gekommen.
Es ist wie eine Vollbremsung auf der Autobahn. Ständig auf der Überholspur unterwegs, wurde die Fahrt nun abrupt gestoppt. Für die meisten keine Hektik mehr. Ein Termin jagt nicht mehr den anderen. Covid 19 – der Virus, der das Leben von heute auf morgen entschleunigt.
Mich hat bewegt, bei einem Spaziergang durch die Stadt die Hinweisschilder an den geschlossenen Geschäften zu lesen. Da wünschen Ladenbesitzer ihren Kunden viel Gesundheit und Durchhaltevermögen. Oder es wird an die Solidarität appelliert, dass gemeinsam die Krise zu schaffen ist. Selbst vor ungeahnten wirtschaftlichen Herausforderungen stehend, sorgen sich Geschäftsleute um die Gesundheit ihrer Kunden. Beeindruckend!
Ein Virus verändert das Leben. Er zwingt nicht nur zum Innehalten, sondern auch zum Nachdenken. Verständlich, in einer solchen Ausnahmesituation zu fragen, was wirklich wichtig ist und worauf es im Leben letztlich ankommt. Auch zu sehen, welches kostbare Gut die Gesundheit ist. Oder was Zusammenhalt und Nächstenliebe bedeuten.
Apropos Nachdenken und fragen, was wirklich trägt. Viele Kirchen in Hof und der Region sind werktags und am Wochenende geöffnet. Sie laden zum stillen Gebet ein – nicht nur, wenn die Glocken mittags und abends zum Gebet läuten. Gotteshäuser sind besondere Orte, die helfen können, gut durch die außergewöhnliche Zeit zu kommen.
Ein Virus verändert das Leben. Vor über 75 Jahren war es ein ideologischer Virus, der Deutschland im Griff hielt. Unser Land war bestimmt vom Nationalsozialismus. Einer, der schwer unter diesem Virus litt, war Pfarrer Dietrich Bonhoeffer. Er leistete Widerstand und kam deshalb in Haft. In dieser persönlichen Ausnahmesituation – er wusste nicht, was noch alles auf ihn zukam – schrieb er 1943 im Gefängnis Folgendes nieder:
Ich glaube,
dass Gott uns in jeder Notlage
so viel Widerstandskraft geben will,
wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im Voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
Worte, die 77 Jahre später nichts an Aktualität verloren haben. Auch wenn der Virus nun ein anderer ist, sind sie weiter wegweisend. Zeigen sie doch, woher Kraft und Halt kommen können. Übrigens nicht nur in einer Ausnahmesituation wie sie gegenwärtig vorliegt.
Dieses Vertrauen, das aus den Worten Dietrich Bonhoeffers spricht, wünsche ich Ihnen und mir selbst.
Ihr Günter Saalfrank
Dekan