„Manchmal möchte man schon an der Menschheit verzweifeln, wenn man von den antisemitischen Vorfällen in ganz Deutschland hört, auf den Straßen, in den Schulen, im Internet. Vom Hass auf Juden und Israel, der sich vor allem seit 2015 wie eine Seuche verbreitet. Dass wir in Deutschland nach dem Morden an Millionen Juden aus der Geschichte gelernt hätten, lässt sich spätestens nach Halle schwerlich sagen. Aber dass wir nicht resignieren, zeigt die heutige Veranstaltung. Denn wir haben die Verantwortung dafür, dass sich der neue alte Antisemitismus von ganz rechts und links, von radikaler muslimischer Seite und auch in der Mitte der Gesellschaft eben nicht wie eine Seuche – auch an den Schulen – ausbreitet.“
Mit diesen Worten begrüßte Dr. Gisela Strunz, Vorsitzende der Hermann-und-Bertl-Müller-Stiftung, Anfang November die Schülerinnen und Schüler aus acht Hofer Schulen von Mittelschulen über Gymnasien bis hin zur Integrationsklasse der VHS, die sich am Schülerwettbewerb „Schicksale der jüdischen Hofer im Nationalsozialismus – das Problem heißt Antisemitismus“ beteiligt hatten – und so beachtliche wie berührende Ergebnisse präsentierten.
Basierend auf der Veröffentlichung „Jüdische Familien in Hof, Schicksale und Verfolgung im Nationalsozialismus“ des Historikers Dr. Ekkehard Hübschmann lobte die Hermann-und-Bertl-Müller-Stiftung Ende 2018 einen Schülerwettbewerb an allen Hofer Schulen ab der 9. bzw. 8. Klasse an den Mittelschulen aus. Ziel des Wettbewerbs war es, auf der Grundlage der Forschungsarbeit von Dr. Ekkehard Hübschmann bei den Jugendlichen gerade über den lokalen Bezug und die Einzelschicksale emotionale Verbundenheit mit den damaligen Opfern zu erzeugen und zur Reflexion über heutige Ausgrenzung, Gewaltbereitschaft und das Entstehen von Verfolgung anzuregen. Von Januar bis September 2019 konnten sich Schulklassen, aber auch Arbeitsgruppen oder einzelne Schüler am Wettbewerb beteiligen, wobei der Kreativität keine Grenzen gesetzt waren. Als hervorragender Partner für die Durchführung wurde die VHS Hofer Land mit Ilse Emek an der Spitze und Gabi Böttcher als direkter Ansprechpartnerin gewonnen.
„Wir hofften, dass der lokale, ganz konkrete Bezug euch stärker motivieren könnte als Informationen über anonyme Opfer in einer unfassbaren Zahl. Und ihr habt unsere Erwartungen weit übertroffen!“, so Dr. Gisela Strunz bei der Preisverleihung, zu der auch Dr. Ludwig Spaenle, Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung und ehemaliger Bayerischer Kultusminister, extra nach Hof angereist war.
Beurteilt wurden die Beiträge von einer hochkarätigen Jury, bestehend aus Vertretern der israelitischen Kultusgemeinde sowie der regionalen Kultur-, Historiker- und Medienlandschaft, der Christoph Plass, Ilse Emek, Gabi Böttcher, Peter Nürmberger, Annerose Zuber, Dr. Arndt Kluge, Pascal Najuch, Rudolf von Waldenfels, Hanne Hagen, Robert Werner, Dr. Jakob Gonczarowski, Benjamin Pinis, Florian Spieler, Dr. Franziska Tauber, Stefan Denzler und Dr. Gisela Strunz angehörten. „Uns war schnell klar: Die Beiträge sind alle so ausgezeichnet, dass wir jedem einen Preis geben müssen“, berichtet Initiatorin und Jury-Mitglied Dr. Gisela Strunz. Drei Beiträge wurden darüber hinaus mit einem Sonderpreis prämiert.
Obwohl den Schülern keinerlei Vorgaben gemacht wurden, sind zehn komplett unterschiedliche Beiträge entstanden, die alle auf ihre Weise preiswürdig sind: von Collage über Hörspiel, Theaterstück und App bis hin zu Unterrichtseinheiten, Schmiede-Arbeiten und einem Interview-Projekt. Da die Beiträge so verschieden, zugleich aber alle anspruchsvoll, kreativ und empathisch genug sind, um einen Preis zu verdienen, hat die Jury jeden einzelnen einer Kategorie zugeordnet und entsprechende Preise verliehen. Um alle eingereichten Arbeiten, die höchst berührend sind, in angemessener Form zu würdigen, werden wir sie in einer Mini-Serie in den ProHof-Magazinen der kommenden Monate vorstellen.
„Nun hoffe ich, dass ihr euer erarbeitetes Wissen als kompetente Multiplikatoren weitergebt und zu reagieren wisst, wenn in eurem Umfeld judenfeindliche Äußerungen fallen. Und ich hoffe, dass das Projekt nicht nur in Hof, sondern bayern- oder gar bundesweit Schule macht, denn es zeigt, dass es euch wesentlich leichter fällt, euch der Geschichte anhand von Einzelschicksalen anstelle einer unfassbaren Zahl anonymer Opfer zu nähern“, so das Resümee von Dr. Gisela Strunz. Christine Wild