
Die Gäste haben die Qual der Wahl: Mittagsruhe im Sonnenblumenzimmer? Oder doch lieber im Tulpenzimmer? Ein bisschen lesen? Oder mit dem Therapiehund Kuno schmusen? Birgit Wilfert und ihr Team geben alles, damit sich die Senioren in der Tagespflege-Einrichtung „Alternaktiv leben GmbH“ am Hofer Bahnhofsplatz wohlfühlen.
Wilfert ist Profi in Sachen Tagespflege: Als sie in der ersten Einrichtung dieser Art im Raum München mitarbeitete, war das Prinzip der Tagespflege noch kaum bekannt und die Pflegekassen haben die Kosten dafür noch nicht übernommen. 2008 eröffnete die gelernte Altenpflegerin selbst die erste Tagespflege Oberfrankens in Hof. Die Pflegekassen kamen mittlerweile für die Kosten auf, doch eines hat sich nicht geändert: „Viel zu wenig pflegende Angehörige wissen, dass es dieses Angebot gibt, dass die Kosten übernommen werden und ihnen das Pflegegeld trotzdem erhalten bleibt.“ Dabei sei es eine unglaubliche Erleichterung für die Angehörigen, wenn die von ihnen betreuten Senioren ein paar Tage außer Haus verbringen können.
„Die Tagespflege-Einrichtungen schließen die Lücke zwischen der Betreuung und Pflege von Angehörigen zuhause mit Unterstützung des Pflegedienstes“, erklärt Wilfert. Die Senioren verbringen – wie es der Name schon sagt – nur den Tag in der Einrichtung (und werden bequem per Bus abgeholt und nach Hause gebracht). Nachts schlafen sie trotzdem in ihrer gewohnten Umgebung. Wie viele Tage pro Woche sie das Angebot annehmen, entscheiden Gäste und Angehörige selbst. Geöffnet ist von Montag bis einschließlich Samstag. „Die meisten Gäste kommen an zwei Tagen“, weiß Chefin Wilfert. „Ein Tag ist in der Regel für die Angehörigen zu wenig, um einmal eigene Dinge erledigen und durchatmen zu können. Und auch für die Gäste sind zwei Tage besser, denn sie sollen sich ja bei uns zuhause fühlen.“
Zuhause und willkommen fühlen, eine sinnvolle und ansprechende Beschäftigung haben und Gesellschaft genießen – das sind die zentralen Elemente der Tagespflege. Und Dinge, die im Heimalltag oft zu kurz kommen. Birgit Wilfert, die viele Jahre lang als Altenpflegerin in Heimen gearbeitet hat, sagt: „Ich konnte irgendwann nicht mehr mit dem Strom mitschwimmen. Trocken, sauber, satt, das ist mir nicht genug. Mir blieb zu wenig Zeit für den Menschen.“ So ging die gebürtige Hoferin im Alter von 36 Jahren noch mal studieren. Als Sozialwirtin leitete sie anschließend zwei Heime, musste aber feststellen: Auch vom Chefsessel aus kann man manche Dinge nicht ändern und neue Konzepte kaum durchsetzen. In diesem Moment traf sie die Entscheidung, in ihre Geburtsstadt Hof zurückzukehren und dort in der Heiligengrabstraße die erste Tagespflege-Einrichtung Oberfrankens zu eröffnen.
„Wäre die Nachfrage nicht so immens groß und hätte ich nicht seit zehn Jahren Erfahrung in diesem Bereich, hätte ich mich an dieses neue Projekt nicht herangewagt“, sagt Wilfert im Hinblick auf ihre neue Einrichtung am Bahnhofsplatz. Gemeinsam mit ihrer langjährigen Mitarbeiterin Kerstin Langheinrich hat sie die „Alternaktiv leben GmbH“ gegründet – die größte Tagespflege-Einrichtung Oberfrankens, in der auf 1000 Quadratmetern bis zu 56 Gäste Platz finden. Die Räume sind groß, geräumig, hell und liebevoll gestaltet; jedes Zimmer hat sein Thema und seine Farbe – Sonnenblumen, Tulpen, Callas … Gekocht wird täglich frisch und mit vielen regionalen Produkten in der hauseigenen Küche. Zwei große Schweizer Sennenhunde, einer davon ausgebildeter Therapiehund, zaubern tierlieben Gästen ein Lächeln auf die Lippen. Fröhlich zwitschernde Nymphensittiche bringen Leben in die Bude und sorgen außerdem für sinnvolle Beschäftigung: Die Bewohner dürfen, wenn sie möchten, beim Füttern und Saubermachen helfen.
Kerstin Langheinrich erklärt: „Wir wollen den Gästen Freude und Selbstbestätigung vermitteln.“ Auf dem Programm stehen beispielsweise spielerisches Gedächtnistraining, Spaziergänge, Gymnastik, viele Bastelangebote, gemeinsames Kochen und Backen. „Wir arbeiten biografiebezogen und richten uns oft auch nach dem, was die Menschen früher erlebt oder gearbeitet haben.“ Dabei lerne man sich kennen und lache viel gemeinsam. Aufgenommen werden Pflegebedürftige mit Pflegegrad 0 bis 5. Rund 60 Prozent der Gäste sind demenziell erkrankt. Der jüngste Tagesgast ist 56 Jahre alt, die älteste 100. Alle nötigen Therapien – Logopädie, Ergotherapie oder Physiotherapie – können in der Einrichtung durchgeführt werden.
„Wir bieten auch Aromaduschen und Therapiebäder an. Dies fördert das Wohlbefinden des Gastes.“ Und es sei eine große Entlastung für die pflegenden Angehörigen, die ohnehin meistens an den Grenzen ihrer Kräfte agieren. Kerstin Langheinrich und Birgit Wilfert wollen ihnen eine Stütze sein und stehen gerne beratend zur Verfügung, wenn es um Verhandlungen mit der Pflegekasse geht, um Einstufungen des Pflegegrades, Beantragung von Leistungen oder die Suche nach einer Kurzzeitpflege. „Viele Angehörigen sind überfordert und fühlen sich alleingelassen. Wir betrachten es als unsere Aufgabe, auch für sie da zu sein.“
Eine weitere wichtige Aufgabe sehen die beiden Hofer Expertinnen darin, das Konzept der Tagespflege noch bekannter zu machen, denn ihre Erfahrung zeigt: Nicht nur die Angehörigen profitieren davon. Auch der Allgemeinzustand vieler Gäste verbessere sich durch den regelmäßigen Besuch der Einrichtung: „Hier haben die Menschen mehr Ansprache und Gesellschaft als Zuhause. Sie werden gefördert und gefordert“, sagt Birgit Wilfert. „Ein Mensch ohne Aufgaben geht ein.“ Sandra Langer