
Wenn jemand die Nachbarn in Sachsen und Thüringen kennt, dann sind es die Bürgermeister der Hofer Landkreisgemeinden, die direkt an die beiden benachbarten Bundesländer angrenzen. Und jeder dieser Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hatte natürlich auch privat sein eigenes, spezielles Wende-Erlebnis. Manfred Köhler hat aus Anlass des 30. Jahrestages der Grenzöffnung am 9. November 1989 nach alten Erinnerungen, aber auch aktuelle Kontakten nach „drüben“ und gemeinsame Aktionen zum Jubiläum nachgefragt.
Bürgermeisterin Patricia Rubner, Berg
Als die Grenze geöffnet wurde, war ich neun Jahre alt. Ich erinnere mich, dass die CSU Berger Winkel mitten in Berg einen Stand aufgebaut hatte und Glühwein und Kakao ausschenkte, dazu Lebkuchen und Kekse verteilte. Da habe ich mitgeholfen. Ganz Berg war voll von Menschen, die sich in der Post und den Banken das Begrüßungsgeld abholten und in unseren Läden einkauften. Dort waren die Regale ziemlich schnell leer. Die vielen, vielen Menschen, die langen Schlangen vor den Banken und Geschäften und der wahnsinnige Verkehr im sonst so beschaulichen Berg beeindruckten mich sehr. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie verwundert ich war und mir das alles eigentlich gar nicht so recht erklären konnte. Zusammen mit meinen Eltern habe ich in diesen Tagen einen Ausflug in die DDR gemacht, wo ich schon wahrgenommen habe, dass wenige Kilometer von meinem Heimatort entfernt die Welt eine ganz andere war. Kontakt mit DDR-Bürgern hatten wir zuhause regelmäßig, da mein Großvater väterlicherseits aus Seubtendorf stammte und von dort Verwandte zu Besuch kamen.
Die Gemeinde Berg pflegt einen sehr engen Kontakt zu unserer Partnerstadt Hirschberg und zu allen anderen Nachbarkommunen in Thüringen. Mit meinem Kollegen Rüdiger Wohl aus Hirschberg tausche ich mich regelmäßig aus. Uns verbinden die gleichen Themen, die ich auch mit meinen bayerischen Kollegen bespreche. Kontakt haben wir regelmäßig wegen Kindern, die über die Landesgrenze hinweg gegenseitig unsere Kindertagesstätten besuchen. Auch unsere Verwaltungen arbeiten bei diesem Thema und noch einigen anderen selbstverständlich zusammen. Wir feiern gemeinsam unsere Wiesenfeste, organisieren seit mittlerweile 20 Jahren die Grenzlandwanderung am 3. Oktober. Aktuell beschäftigt uns besonders die Brücke zwischen Rudolphstein und Sparnberg, die 30 Jahre nach Grenzöffnung ersetzt werden müsste. Leider fehlt sowohl der Gemeinde Berg als auch der Stadt Hirschberg dafür das Geld, da wir von einem mittleren sechsstelligen Betrag für eine neue Brücke sprechen. Bürgermeister Rüdiger Wohl und ich suchen dafür gemeinsam Lösungen.
Am 9. November findet in Hirschberg ein Festgottesdienst statt, den ich auf jeden Fall besuchen werde. Unser eigentlicher gemeinsamer „Feiertag“ war in diesem Jahr der 3. Oktober, als der Berger und Hirschberger Frankenwaldverein zum 20. Mal zur gemeinsamen Grenzlandwanderung, in diesem Jahr sogar mit Sternwanderung, einluden. Und auch am 30. Dezember werden wir Hirschberger und Berger beziehungsweise Tiefengrüner und Untertiefengrüner gemeinsam feiern, und zwar das 30. Jubiläum der Brückenöffnung von Untertiefengrün nach Hirschberg. Dieses Ereignis hat für uns eine ganz besondere Bedeutung, weil die Brücke endlich wieder die Nähe zwischen uns Nachbarn hergestellt hat, die auch eine unmenschliche Mauer nicht zerstören konnte!
Bürgermeister Bert Horn, Gemeinde Bad Steben
Die Vorgänge um die Öffnung der DDR-Grenzen am Abend des 9. November 1989 habe ich nur am Rande mitbekommen. Als damaliger Abteilungsleiter der Staatlichen Kurverwaltung hatte ich einen Termin bei unserer Software-Firma für den 10. November um 8.30 Uhr an deren Sitz in Berlin vereinbart. Die Anreise war für den Morgen des 10. November vorgesehen. Entsprechend früh ging‘s zu Bett und noch in der Dunkelheit des 10. November auf die Autobahn.
Bereits am Grenzübergang in Rudolphstein herrschte eine völlig ungewohnte Situation. Beste Stimmung und geradezu Euphorie bei den Grenzbeamten auf bayerischer Seite, eine völlig überfüllte Autobahn in Richtung Süden sowie ziemlich ratlose Gesichter der DDR-Grenzer, welche die ausreisenden Fahrzeuge meist nur oberflächlich kontrollierten. Die Fahrt bis Berlin verlief normal und reibungslos. Am Grenzübergang Drewitz/Dreilinden angekommen war die Situation irgendwo zwischen Volksfest und Chaos. Tausende Trabis wollten nach West-Berlin einreisen, und auch hier wussten die Grenzposten der DDR nicht so recht, ob und wie sie diese kontrollieren sollten. Mein Geschäftstermin führte mich ins Stadtzentrum, und die Anfahrt erfolgte über den Kurfürstendamm. Diese eigentlich mit Busspur sechsspurige Prachtstraße in West-Berlin war nach den spontanen Feiern der vorausgehenden Nacht mit Trabis völlig zugeparkt und nur noch einspurig befahrbar; mit Mühe und Verspätung erreichte ich schließlich meinen Geschäftstermin.
Die Rückreise am Nachmittag gestaltete sich zunächst problemlos und war – in Anbetracht der tollen Stimmung in der Stadt und während der ganzen Fahrt auch im Radio – eine Heimreise der besonderen Art. Dieser Eindruck wurde noch stärker, als ich wieder in die Nähe des Grenzüberganges Hirschberg/Rudolphstein kam. Bereits bei Schleiz, also über zehn Kilometer vor der Grenze, war Stillstand. Was zunächst eigentlich sehr ärgerlich war, entwickelte sich allerdings zu einem der für mich beeindruckendsten Erlebnisse auf einer deutschen Autobahn. Unsere Landsleute aus dem Osten waren in Erwartung des baldigen Grenzübertritts bester Stimmung, und schnell wurde der Fahrer des nebenstehenden Fahrzeuges angesprochen, Fragen nach dem Reiseziel gestellt, Informationen ausgetauscht und Hinweise für die Weiterfahrt im Westen gegeben. Alle waren auch gut mit Proviant in fester und flüssiger Form ausgestattet, den man ebenso gerne mit dem Wessi teilte, und so durfte ich ein Bürgerfest auf der Autobahn erleben, welches mir stets in Erinnerung bleiben wird. Insofern war es auch nicht mehr von Bedeutung, dass man für die letzten Kilometer bis zur Grenze fast fünf Stunden unterwegs war.
In den Tagen danach haben wir in Bad Steben – wie auch in den Nachbarorten – einen Ansturm erlebt, der ebenfalls seinen festen Platz im Gedächtnis behalten wird. Für die Auszahlung des Begrüßungsgeldes von jeweils 100 DM an tausende DDR-Bürger wurde Personal von allen öffentlichen Stellen, also auch der Staatlichen Kurverwaltung, zusammengezogen, um den Ansturm zu bewältigen. Das Rote Kreuz war ebenfalls im Dauereinsatz, und die wirklich beeindruckenden Menschenschlangen vor dem Bad Stebener Rathaus haben wird in großformatigen Bildern dokumentiert.
Für mich persönlich waren die Tage und Wochen nach der Grenzöffnung eine Zeit der Euphorie und positiven Zukunftserwartung, die ich nicht missen möchte! Man wusste irgendwie von Anfang an, dass hier etwas Großes passiert, und als jemand, der immer wieder Menschen an die Grenze geführt und seit seiner Jugend auch insbesondere am 17. Juni gegen diese unmenschliche Grenze demonstriert hat, waren die Ereignisse im November für mich eine Genugtuung und ein Aufbruch in eine neue Zeit.
In den Wochen nach dem 9. November gab es natürlich reichlich Gelegenheit, bei diversen „Grenzöffnungen“ in Nordhalben, Blankenstein, Mödlareuth und schließlich auch an der Krötenmühle in Carlsgrün mit unseren Landsleute in Kontakt zu kommen. Einige der seinerzeit geknüpften Kontakte zum Beispiel durch die Feuerwehren Obersteben und Thierbach werden noch heute gepflegt.
Was die Bürgermeisterkollegen aus Thüringen betrifft, hat man einen normalen, geschäftsmäßigen Kontakt. Einigermaßen regelmäßige Treffen ergeben sich zum Beispiel mit dem Kollegen Olaf Schott aus Bad Elster, der seine Kommune im Kreis der deutschen Staatsbäder vertritt.
Für den 9. November plant der Markt Bad Steben keine besondere Veranstaltung. Wir haben seit 30 Jahren unser Augenmerk und unsere Aktionen auf das Ergebnis der am 9. November 1989 begonnenen Entwicklung, nämlich die Deutsche Einheit, ausgerichtet. Wir feiern seit 1990 am 3. Oktober den Tag der Deutschen Einheit mit einem Dankgottesdienst. Wir haben an prominenter Stelle vor der Lutherkirche eine Eiche als Symbol der Einheit gepflanzt und 2015 anlässlich des 25. Jubiläums der Wiedervereinigung an der „Schönen Aussicht“ mit Blick auf das ehemalige Grenzgebiet ein „wachsendes Denkmal“ errichtet.
Bürgermeister Holger Knüppel, Lichtenberg
Die Grenzöffnung habe ich als junger Student in Göttingen, meiner Heimatstadt, erlebt. Die Grenze zu Thüringen war damals nur 20 Kilometer entfernt. Als Kind bin ich öfter zur Verwandtschaft nach Sangerhausen gefahren. Diese Erinnerungen sind eher traumatisch, da wir häufig beim Grenzübertritt gefilzt wurden, das Auto zerlegen mussten und uns Kindern unsere Spielsachen wie Quartett oder Matchboxautos konfisziert wurden.
In meinem Forststudium habe ich eine Diplomarbeit im Fach Naturschutz geschrieben. Damals habe ich einen etwa 20 Kilometer langen Grenzabschnitt nördlich von Heiligenstadt am heutigen Grünen Band auf naturschutzrelevante Bereiche untersucht. Neben meinen privaten Kontakten zur Verwandtschaft in Sangerhausen hatte ich dann 1990 erstmals Kontakt zu Naturschutzbehörden in Heiligenstadt und Worbis.
Heute, als Bürgermeister in Lichtenberg, habe ich Kontakt zur Nachbargemeinde Blankenstein (Rosenthal am Rennsteig) und zu Bürgermeister Peter Keller, insbesondere und verstärkt durch das Projekt „Frankenwaldbrücke“. Die Nachbargemeinde sieht in diesem Projekt große touristische Chancen und hat es in ihr touristisches Konzept integriert. Beide Gemeinden sehen sich als Partner und hoffen auf einen weiteren positiven Ausbau der Beziehungen.
Für das Jubiläum haben wir seitens der Stadt keine konkrete Planung. Es gibt allerdings zum Jahrestag jährlich ein gemeinsames Treffen im Gasthaus Blechschmidtenhammer.
Bürgermeister Stefan Müller, Gattendorf
Als gebürtiger Gattendorfer bin ich mit dem Eisernen Vorhang aufgewachsen, der nur rund drei Kilometer entfernt von unserer Gemeinde verlief. Wir haben zu DDR-Zeiten oft nach Sachsgrün hinüber geschaut und dort Busse fahren sehen. Die Grenzer haben bei unserem Anblick keine Regung gezeigt. Kurz vor der Grenzöffnung war ich als Verkaufsleiter der Fleischwarenfabrik Franka auf einer Messe in Berlin. Damals waren ja schon die ersten Unruhen im Gang, aber an der Grenze gab es noch die ganzen üblichen Hürden mit Schlangestehen und Ausweiskontrolle per Rohrpost – und man hatte das gewohnte mulmige Gefühl. Dennoch hat man bereits was kommen sehen.
Als dann die Grenze aufging und endlose Trabi-Schlangen sich durch Gattendorf wälzten, waren Freude und Tumult groß. Ich weiß noch, wie schwierig es war, in diesen Tagen selbst einfachste Fahrten zu machen, zum Beispiel zum Fußballtraining nach Feilitzsch. Auch im kleinen Dorfladen meiner Schwester ging es hoch her. Mich beeindruckt noch heute die Mitmenschlichkeit, mit der die Gattendorfer auf den Ansturm reagierten. Jeder knüpfte seine Kontakte über die ehemalige Grenze hinweg, unser Fußballverein mit ersten Freundschaftsspielen in Triebel oder Oelsnitz. Damals waren Erlebnisse möglich, die uns heute unglaublich erscheinen. Zum Beispiel lieferte ich einmal Waren nach Plauen und kam mangels Überweisungsmöglichkeiten mit 250.000 Mark Bargeld wieder zurück, die ich dann daheim sofort einzahlte.
In der Gegenwart pflegen wir mit den Gemeinden Posseck, Triebel und Sachsgrün gute Kontakte. In meiner Funktion als langjähriger Kirchenvorstand war ich dabei, als wir an der ehemaligen Grenze bei Sachsgrün ein großes Kreuz aufstellten, wo wir Jahr für Jahr gemeinsame Gottesdienste feiern. Außerdem begehen wir jedes Jahr zusammen Advent. Wir unternahmen auch gemeinsame Kirchenausflüge an verschiedene Orte, fuhren mit ehemaligen Grenzern einzelne Grenzabschnitte ab. Aber inzwischen gehen die gemeinsamen Unternehmungen zurück, und das ist auch gut so. Wir pflegen eine ganz normale Nachbarschaft, das Ost-West-Denken ist aus den Köpfen raus, und ich kann eigentlich überhaupt keine Unterschiede mehr feststellen.
Speziell zum Jubiläum haben wir keine Veranstaltungen geplant. Unser jährliches Adventstreffen findet auf jeden Fall statt, aber das ist eine Sache der Kirchengemeinde, nicht der Gemeinde.
Bürgermeister Klaus Grünzner, Töpen
Die Grenzöffnung in Mödlareuth kam mit einem Monat Verspätung am 9. Dezember 1989. An die Ungeduld von damals erinnere ich mich noch sehr stark. Man erlebte ja mit, wie nach dem 9. November ringsum überall die Grenze aufging, aber in Mödlareuth war lange Zeit nicht mal erkennbar, dass sich was bewegt. Ich glaube, das DDR-Regime wollte da einfach noch mal die Muskeln spielen lassen. In Berlin war die Staatsführung überrollt worden, und deshalb wollte man in Mödlareuth zeigen, dass man das Heft des Handelns noch in der Hand hatte. Erst nach unzähligen Demonstrationen, Mahnwachen und Lichterketten ging die Grenze dann endlich auf.
Das Wetter war kalt an diesem Tag, es hat auch geschneit, aber das war uns egal, wir waren einfach nur in freudiger Erwartung. Mich hat dieses Ereignis besonders bewegt, weil ich von 1972 bis 1980 beim Bundesgrenzschutz Dienst an der innerdeutschen Grenze geleistet hatte. Zum Zeitpunkt der Grenzöffnung arbeitete ich in der JVA Hof und hatte in Töpen den CSU-Vorsitz, allerdings war ich in keinem Gremium und auch nicht im Gemeinderat. Die Grenzöffnung erlebte ich als Privatmann.
Ein einschneidendes Erlebnis war es für mich, dann in Mödlareuth erstmals DDR-Boden zu betreten. Dort lernte ich unter anderem den späteren Bürgermeister von Gebersreuth Herbert Hammerschmidt kennen. Unser Umgang miteinander war von Anfang an offen und von Sympathie und Zuverlässigkeit in allen Bereichen geprägt.
Wenn ich an damals zurückdenke, kommt es mir so vor, als hätte das Ost-West-Denken nicht existiert, sondern nur eine große Verbundenheit. Die DDR-Bürger, die bei der Grenzöffnung dabei waren, wollten ihrem Land auch nicht den Rücken kehren. Sie wollten einfach nur mal Freiheit schnuppern und abends wieder daheim sein. Den Geist von Mödlareuth muss man sich immer wieder in Erinnerung rufen. So was erlebt man nur einmal im Leben. Die Aufbruchstimmung von damals würde ich mir heute für manche Bereiche zurückwünschen.
In der Gegenwart verbindet mich als Bürgermeister vor allem mit meinem Amtskollegen Marcel Zapf in Gefell nicht nur ein nachbarschaftliches, sondern freundschaftliches Verhältnis. Wir sprechen uns ab und informieren uns gegenseitig, manchmal auch über Dinge, die noch nicht offiziell sind.
Der Jahrestag wird bei uns in Mödlareuth nicht nur am 9. November gefeiert, sondern mit einem großen Programm, das noch bis zum 9. Dezember andauert. Dann ist richtig was geboten, zum Beispiel findet eine große Fackel-Sternwanderung statt. Außerdem gibt es eine Gedenkandacht und Zeitzeugengespräche.
Gedenkfeier am 9. November im Deutsch-Deutschen Museum Mödlareuth: 13 Uhr Multimedia-Vortrag; 16 Uhr symbolische Öffnung des Grenztores mit Trabi-Korso über den nachgebauten Grenzübergang; 17 Uhr Gesprächsrunde „30 Jahre Mauerfall“; 19 Uhr Multimedia-Vortrag.
Bürgermeister Klaus Strobel, Trogen
Die Wendezeit ist für mich durch vier persönliche Erlebnisse geprägt, die mir unvergessen geblieben sind. Das Erste davon hatte ich, als die Züge aus der Prager Botschaft durch Hof rollten. Ich war damals Lehrer in Feilitzsch und beschloss spontan, mit den Schülern zum Feilitzscher Bahnhof zu fahren, um sie hautnah Geschichte erleben zu lassen. Wir winkten den Menschen in den Zügen zu, einige Schüler verschenkten auch ihre Brotzeit an die Botschafts-Flüchtlinge.
Am Tag nach der Grenzöffnung am 10. November 1989 leitete ich als Vorsitzender die Bezirksdelegiertenversammlung der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Junglehrer in Hof. Das Ereignis schlug auch hier durch. Oberbürgermeister Dieter Döhla als Grußwortredner wurde mehrfach unterbrochen und zum Telefon gerufen, weil die Einrichtung von Übernachtungsplätzen für Besucher in der Freiheitshalle koordiniert werden musste. Zudem war die Heimreise für die Delegierten aus ganz Oberfranken und für Gäste aus der Oberpfalz am 11. November ein „Erlebnis“, weil sie fast nicht aus Hof hinauskamen.
Mein drittes Wende-Erlebnis, an das ich mich besonders erinnere, spielte im Bürgerhaus Trogen, wo das Begrüßungsgeld für DDR-Bürger ausgezahlt wurde. Ich half als Gemeinderat mit und hatte zweimal hintereinander zwei Personen, die jeweils für drei Personen Begrüßungsgeld erbaten. Im einen Fall war die dritte Person ein Mann im Alter von mindestens 90 Jahren, der unweit in der Ecke saß. Im anderen Fall war die dritte Person ein wenige Tage altes Baby. Diese Abfolge von ganz alt und ganz jung hat mich damals beschäftigt.
Noch eindrücklicher aber war dann meine erste Reise in die DDR. Im Februar 1990 wurde ich eingeladen, für die SPD bei einer der Montagsdemonstrationen in Oelsnitz zu sprechen. Eigentlich hatte ich kaum Zeit, denn ich musste Zeugnisse schreiben und kandidierte zudem erstmals für das Amt des Bürgermeisters in Trogen. Die Ankunft in Oelsnitz war erschreckend, denn es herrschte gerade Inversionswetterlage, und der Braunkohle-Gestank raubte einem den Atem. Auch die Demo, die meiner Rede vorausging, war beklemmend. Vor einem Gebäude, vermutlich dem Sitz der örtlichen Staatssicherheit, wurde „Stasi raus!“ skandiert. Wie ich während der Demo hörte, mussten SPD-Redner bei vorangegangenen Demos schon vom Podium geholt werden, weil sie mit faulen Tomaten beworfen wurden. Aber bei mir lief es dann ganz anders als befürchtet, ich bekam sogar mehrfach Zwischenapplaus. Ich denke, das lag auch daran, dass ich mich sehr gut vorbereitet hatte und unter anderem den Satz von Altkanzler Willy Brandt zitierte: „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört.“
In Trogen wird der Kontakt zu den Nachbarn in Sachsen über unsere Feuerwehr gepflegt, die eine Freundschaft mit der Feuerwehr in Triebel unterhält. Der Grenzöffnung haben wir zuletzt zum 25. Jahrestag mit einem Dankgottesdienst in Ullitz gedacht. Für dieses Jahr haben wir keine eigenen Pläne.
Bürgermeister Francisco Hernandez Jimenez, Feilitzsch
Zur Grenzöffnung hatte ich ein besonderes Erlebnis, ich unterschrieb zu dieser Zeit meinen Arbeitsvertrag für die Laufbahn zum Zugbegleiter bei der Deutschen Bundesbahn. Meine Ausbildung begann am 1. Januar 1990 und dauerte sechs Monate. Es war die Zeit mit diesem einmaligen geschichtlichen Ereignis und den vielen unvergesslichen Begegnungen.
Meinen ersten Besuch in der DDR hatte ich schon zuvor, und zwar im Frühjahr 1988 mit meiner Ehefrau und der Karnevalsgesellschaft Töpen. In Westberlin besuchten wir die Deutsche Meisterschaft im karnevalistischen Tanzsport und befuhren dazu die damalige Transitstrecke. Meine Frau und ich durften als Töpener Prinzenpaar an der Veranstaltung teilnehmen.
Mein erster Kontakt war mit Polizei- und Zollmitarbeitern der DDR an der innerdeutschen Grenze. Sehr spannend fand ich die Erkenntnis, dass es sich um Menschen wie du und ich handelte. Auch an anderen DDR-Bürgern konnte ich keine Unterschiede feststellen. Wir sprachen die gleiche Sprache, hatten die gleichen Wünsche und Träume.
Seit 1990 gibt es einen besonderen Kontakt zu unseren Nachbarn in Bobenneukirchen, Gemeinde Bösenbrunn, im sächsischen Vogtland. Es fand eine Vielzahl von politischen Sitzungen mit Bobenneukirchen, Grobau und Burgstein statt. Dabei ging es um die gemeinsame Straßenverbindung Münchenreuth-Grobau, den damit verbundenen Winterdienst, Unterstützung zur Gründung einer Verwaltungsgemeinschaft und die zukünftige Partnerschaft.
Einmalig in seiner Lage und Form ist der Drei-Freistaaten-Stein in Münchenreuth. An dieser Stelle treffen die drei Freistaaten Bayern, Thüringen und Sachsen zusammen. Das letzte Projekt der Gemeinde Feilitzsch hatten wir im Zuge von „Dorfpartner am Grünen Band“, gefördert von der Euregio Egrensis. Bei diesem Projekt hatten wir die Gelegenheit, mit Vertretern von Grobau und Heinersgrün, Gemeinde Weischlitz, zusammenzuarbeiten.
In den Tagen der Grenzöffnung wurde spontan ein Fußballspiel zwischen dem SV Bobenneukirchen und dem ZV Feilitzsch in Feilitzsch vereinbart und durchgeführt. Dieses historische Fußballspiel zur Wende nähert sich nun dem 30. Jubiläum und darf dementsprechend in Feilitzsch gefeiert werden. Die besondere Freundschaft zwischen diesen beiden Fußballvereinen hat bis heute Bestand, und wir werden alles nur Mögliche beitragen, damit dies auch so bleibt.
Bürgermeister Dieter Gemeinhardt, Issigau
Als meine Frau und ich am 10. November nach dem Weckerklingeln um 5.30 Uhr von der Grenzöffnung in den Nachrichten hörten, konnten wir es kaum glauben. Aber schon drei Stunden später hielt vor unserer Tür ein Wartburg, aus dem Arbeiter aus der Papierfabrik Blankenstein stiegen. Darunter war auch ein Verwandter von uns. Für meinen Vater war es sehr bewegend, seine Verwandtschaft nach Jahrzehnten wiederzusehen.
Von den Erlebnissen, die folgten, sind mir zwei besonders in Erinnerung. So konnte ich nach der Grenzöffnung bei Blechschmiedenhammer am 2. Dezember mit als Erster zusammen mit unserem damaligen Landtagsabgeordneten Dr. Georg von Waldenfels und dem Nailaer Bürgermeister Robert Strobel nach Blankenstein gehen und im Rennsteigsaal den dortigen Bürgermeister treffen. Ich selbst kandidierte zu diesem Zeitpunkt erstmals für das Amt des Bürgermeisters von Issigau.
Das zweite unvergessliche Erlebnis verbindet sich mit der großen Eigeninitiative der Blankenberger Nachbarn. Es waren ja alle Brücken zerstört, und so wurden Seile über die Saale gespannt und Floßüberquerungen geschaffen. Auch bei uns waren die Ehrenamtlichen sehr hilfsbereit und kümmerten sich um die Gäste. Es war sehr kalt damals, deshalb war unser Gemeindehaus in Issigau geöffnet, wo heiße Getränke und Essen gereicht wurden.
Allerdings war auch die Unsicherheit in dieser Zeit sehr groß. Viele junge Leute aus der DDR waren ratlos, ob sie wieder zurückkehren oder ihre Familien verlassen und im Westen bleiben sollten. Niemand wusste ja anfangs, wie es weitergehen und ob die Grenze offenbleiben würde. Wir haben in dieser Zeit hautnah deutsche Geschichte erlebt und mit geschrieben.
Der gute Umgang mit unseren Nachbarn dauert bis heute an. Wir sind im ständigen Kontakt mit den Gemeinden Blankenstein und Blankenberg, jetzt Rosenthal am Rennsteig. Vor allem landesüberschreitende touristische Maßnahmen werden gemeinsam besprochen und geplant, wie das Radwegenetz und das Deutsche Wanderdrehkreuz im Frankenwald. Unsere Issigauer Feuerwehr pflegt außerdem ein freundschaftliches Verhältnis zu der Feuerwehr in Blankenberg.
Bürgermeister Hans-Jürgen Kropf, Regnitzlosau
Einerseits hin und her gerissen von den Ereignissen in der Deutschen Botschaft in Prag, den in Hof ankommenden Zügen aus Prag (damals war ich als Mitarbeiter des Arbeitsamtes Hof am Hofer Hauptbahnhof) sowie über die wochenlangen, ständig zunehmenden friedlichen Demos in der DDR war man in unserer Grenzregion an der Nahtstelle zum Eisernen Vorhang vielleicht auch etwas nervös oder beunruhigt, wie sich der Druck innerhalb der DDR entwickeln würde. Als ich am 9. November 1989 von einer Dienstreise nach Hause kam, lief im Fernsehen gerade die Tagesschau mit der Meldung, dass die Grenze der DDR geöffnet werde – sofort, unverzüglich – und dass alle DDR-Bürger über alle Grenzübergänge ausreisen könnten.
Der Übergang von Nentschau, Gemeinde Regnitzlosau, nach Posseck wurde nach einer Lichterdemo am 21. Dezember 1989 geöffnet. Mein erster Besuch in Posseck fand Anfang Januar 1990 statt. Als damaliger 1. Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr Regnitzlosau nahm ich an einer Feuerwehrversammlung der dortigen Wehr im Possecker Schloss teil. Es entwickelte sich gleich eine freundschaftliche Verbundenheit der beiden Feuerwehren. Wir konnten damals mit den Feuerwehrautos über den bereits für Fahrzeuge ausgebauten Übergang bei Ullitz nach Posseck fahren, allerdings mussten wir die Rückfahrt bis 22 Uhr wieder angetreten haben, da der Übergang nachts geschlossen wurde. Der seit 21. Dezember 1989 geöffnete Possecker Übergang war eigentlich nur Fußgängern gestattet.
Die Gemeinde Regnitzlosau pflegt regelmäßig Kontakt zu den Gemeinden im Vogtland. Unter anderem im Gemeindebund „Freunde im Herzen Europas“ treffen sich die Gemeinden aus dem Vogtland sowie aus dem tschechischen Grenzraum regelmäßig zum Erfahrungsaustausch.
Die Regnitzlosauer Kirchweih fällt heuer auf den 9. November. Dabei ist ein umfangreiches Programm, das sich vom 8. bis zum 15. November um das Thema „30 Jahre Grenzöffnung“ drehen wird, in Regnitzlosau geboten: Freitag: Kärwa-Auftakt mit Musik und Lichtergruß; Samstag: Vernissage und Ausstellung in der Grotte; Sonntag: Kärwa-Markt an der Kirche; Montag: Vortrag über Entstehung der Grenze; Dienstag: Gedanken zum Dreiländereck; Mittwoch: Filmvorträge zur Grenzöffnung; Donnerstag: Tag der Schulen; Freitag: Männerstammtisch mit Zeitzeugen aus Regnitzlosau. Bei allen Veranstaltungen sind der Heimatverein Posseck, der Verein „Vogtland89“, der Freundes- und Förderkreis des Julius-Mosen-Gymnasiums Oelsnitz/Vogtland e. V. sowie die Gemeinde Posseck mit eingebunden.