Die meisten Menschen können ihren 18. Geburtstag kaum erwarten – weil sie dann (allein) Autofahren dürfen. In der Familie Genes aus Hof fiebert(e) man allerdings aus anderen Gründen auf die Volljährigkeit hin: Da sämtliche Filme, die bei den Hofer Filmtagen gezeigt werden, erst ab 18 besucht werden dürfen, ist es auch erst Volljährigen gestattet, bei dem internationalen Festival mitzuarbeiten.
„Ich saß immer allein daheim, als die anderen bei den Filmtagen waren“, erinnert sich Jeff Genes. Der 27-jährige ist der jüngste Spross der Familie Genes, die seit Jahrzehnten bei den Hofer Filmtagen mitarbeitet. Doch wäre „Mitarbeit“ zu wenig gesagt: Richard (58), Kenneth (47), Tim (31) und Jeff (27) Genes sind infiziert mit dem Filmtage-Fieber und stürzen sich in der „fünften Jahreszeit“, wie Ehefrau und Mutter Petra Genes die Filmtage-Woche nennt, voll und ganz ins Festival-Geschehen. Und sie sind sich einig: Es ist ein Privileg, bei den Hofer Filmtagen mitarbeiten zu dürfen.
Angefangen hat alles schon in den 1970er Jahren. Bereits zu dieser Zeit hat die Mutter von Richard und Kenneth Genes Zimmer an Filmtage-Regisseure vermietet. „Die kamen dann angefahren in ihren Berliner Citroëns (genannt Zigarre) und langem, dunklem Ledermantel“, erzählt Richard – und die Faszination, die von jenen Gästen ausging, ist ihm noch heute an den funkelnden Augen abzulesen.
Im Interview spielt sich die gesamte Familie Genes eine Filmtage-Anekdote nach der anderen zu; immer mehr sprudelt aus den vier Herren heraus. Über Willi Badewitz, den Vater von Heinz Badewitz, berichtet Richard, dass er nicht nur Kenneth und ihm das Schwimmen beigebracht habe, sondern es auch seine „Spezialität“ gewesen sei, im Freibad mit dem Fahrrad vom Zehner ins Wasser zu „fahren“. Zweimal pro Woche trafen die Brüder den passionierten Schwimmer beim Training und nahmen auch die Filmtage-Plakate wahr, die Willi Badewitz im Hofer Hallenbad aufgehängt hatte.
Oft waren die Brüder dann „unerlaubt“, also bereits vor ihrem 18. Geburtstag, als Zuschauer bei den Filmtagen, bevor sie endlich legal Einlass fanden und auch mitarbeiten durften. Einlass, Kartenverkauf, Mitarbeit im Pressebüro, Organisation, Vor- und Nacharbeit – das alles sind die Aufgaben, die Richard Genes seit 1986 und sein Bruder und seine Söhne nach und nach übernahmen und noch heute übernehmen.
„Für mich als gebürtigen Kanadier waren anfangs vor allem die englischsprachigen Filme ein Magnet, um mein immer mehr einschlafendes Englisch zu reaktivieren“, verrät Richard Genes. Aber, und da sind sich alle vier einig, eigentlich geht die Faszination des Festivals von wesentlich mehr Faktoren aus: Zum einen sieht man viele Freunde, die man im Rahmen der Filmtage gefunden hat, jedes Jahr während des Festivals wieder; zum anderen kommt man – vor allem Tim, der hauptsächlich als Fahrer die prominenten Gäste chauffiert – den Stars ganz nah, auch von einer sehr ehrlichen, privaten Seite; und zum dritten nutzen die Herren der Familie Genes die Filmtage auch als privates Familientreffen, wie sie lachend anmerken.
Immerhin ist beispielsweise Tim, der als Sales Manager in München arbeitet, extra von einer mehrmonatigen Reise zurückgekehrt und wird sich Ende Oktober, wie viele andere Mitarbeiter, Urlaub nehmen, um bei den Filmtagen in Hof mithelfen zu können. Vater Richard hingegen, der in Hof sein eigenes Unternehmen leitet, in dem auch Sohn Jeff mitarbeitet, betont, er habe noch nie während der Filmtage Urlaub gemacht – und das, obwohl die Festivalnächte lang sind und oft nicht viel mehr als zwei Stunden Schlaf bleiben.
Aber die Genes-Herren erwähnen immer wieder, dass es für sie ein Privileg bedeutet, ehrenamtliches Mitglied im Filmtage-Team zu sein. Unzählige Anekdoten streifen sie – darunter etwa die Begegnung mit Sönke Wortmann zu einer Zeit, als er als Filmstudent seinen ersten Kurzfilm in Hof präsentiert hat und Petra Genes zusammen mit einer Freundin dem armen Studenten eine Jacke gekauft hat, die den Hofer Temperaturen standhielt. „Daran hat er sich noch Jahre später erinnert und ist immer wieder auf uns zugekommen und hat sich bedankt“, erinnert sich die Ehefrau und Mutter des familiären Filmtagegespanns – ebenfalls mit leuchtenden Augen.
Und dann berichten vor allem Richard und Kenneth Genes davon, wie sich das Festival vor ihren Augen immer weiter vergrößert hat, mehr Mitarbeiter gebraucht wurden und man den Sprung ins Digitalzeitalter geschafft hat: „Wir haben die ersten digitalen Projektoren mit reingetragen und mussten nach dem Umbau des Central, als Doris Dörrie zur Eröffnung da war, die Zuschauer bremsen, weil das Kino geradezu überrannt wurde“, erzählt Richard. Größen des Filmgeschäfts wie Detlev Buck, Rosa von Praunheim oder Uwe Ochsenknecht haben sie über die Jahre getroffen und kennengelernt; haben die Präsentation großer Filme wie „Die Ritter der Kokosnuss“, „The Fast and the Furious“ oder „Kettensägenmassaker“ auf den Hofer Filmtagen erlebt.
Familie Genes – eine Cineasten-Familie? Die vier Herren lachen. „Unter dem Jahr gehen wir höchstens zweimal ins Kino, weil wir mehr gar nicht schaffen“ sagt Kenneth, der als Schreinermeister in einer Behindertenwerkstatt unterrichtet. Der einzige von ihnen, der ganzjährig mit den Hofer Filmtagen zu tun hat, ist Tim. Da er in München lebt, hat es sich ergeben, dass er Festivalchef Thorsten Schaumann das ganze Jahr über immer wieder zu Terminen trifft und den Social Media Auftritt des Festivals betreut. „Wir sind sehr froh, dass der Thorsten das Erbe vom Heinz Badewitz übernommen hat und das Festival so gut weiterführt. Er ist auch außerhalb der Filmtage sehr präsent, baut eine große Nähe zu den Mitarbeitern auf und ist zu vielen sehr intensiven Gesprächen bereit“, so Richard Genes.
Da sie alle ihren Achtzehnten bereits gefeiert haben, behalten Richard, Kenneth, Tim und Jeff nun das ganze Jahr beim Hinfiebern auf die nächsten Hofer Filmtage die Filmtage-Steele im Blick (siehe Titelseite) – und freuen sich über das Aufflackern jedes weiteren Lämpchens, das das Nahen der nächsten Hofer Filmtage ankündigt. Christine Wild