
Kerzengerade stehen die jungen Pistolenschützen nebeneinander am Schießstand. Nach einer ausgiebigen Konzentrationsphase erhebt jede und jeder von ihnen den kerzengerade ausgestreckten Arm, dessen Verlängerung eine Luftdruckpistole bildet. Eine gefühlte Ewigkeit halten sie den Arm mit der Pistole waagrecht, zielen und konzentrieren sich erneut, bevor sie mit einem leisen Puffen abdrücken und schon im nächsten Moment am Monitor ablesen können, was sie getroffen haben. „Einfach hingehen und schießen wie am Volksfest, das funktioniert nicht im Schützenverein – das ist etwas ganz anderes“, erklärt Günter Hornung, Jugendleiter der Schützenbrüder Krötenbruck bei einem zentralen Training der HSSV.
Insgesamt acht Schützenvereine mit etwa 900 Schützen, davon 458 Aktive, verbindet die 1979 gegründete Hofer Sportschützenvereinigung e. V. (HSV Hof) unter dem Vorsitz von Dieter Weiß: Zimmerstutzen-Schützengesellschaft Andreas Hofer, Schützenverein Jägersruh, Schützenbrüder Krötenbruck, Postsportverein Hof – Abteilung Schützen, Privilegierte Scheibenschützen-Gesellschaft Hof, Bürger- und Schützenverein Unterkotzau-Hofeck, Zimmerstutzengesellschaft Waldfreunde Hof und den Schützenverein Neutauperlitz. Alle Vereine gehören dem Hofer Sportverband an.
„Richtig“ schießen, also mit echten Luftdruckwaffen, dürfen Kinder erst ab zwölf Jahren. „Außerdem ist jeder Schützenverein an das deutsche Waffenrecht gebunden, und das ist eins der strengsten überhaupt“, erklärt Günter Hornung. Er ist nicht nur Jugendleiter der Schützenbrüder Krötenbruck, sondern er leitet auch das gemeinsame Pistolen-Jugendtraining aller Hofer Schützenvereine, das jeden Samstag von 16 bis 18 Uhr bei den Schützenbrüdern Krötenbruck stattfindet. Acht bis zehn der 126 jugendlichen Schützen im Alter von 13 bis Mitte 20 nehmen jede Woche daran teil. „Jeder Verein hat natürlich auch sein eigenes Jugend-Training – die Trainingszeiten sind auf den Homepages der einzelnen Vereine zu finden“, so Günter Hornung.
„Wir als Schützenbrüder Krötenbruck sind der einzige Verein in Hof, der relativ viele jugendliche Luftpistolen-Schützen hat. Allerdings gehören unserem Verein auch Luftpistolen-Weltmeisterin Sandra Reitz und ihr Mann Christian, der in derselben Disziplin olympisches Gold geholt hat, an. Sie kommen immer mal beim Training vorbei, schauen sich beim Nachwuchs um und trainieren manchmal auch selbst mit – das ist natürlich ein großes Zugpferd!“, freut sich Günter Hornung.
Wenn Jugendliche in einen der Schützenvereine eintreten, müssen sie sich noch nicht gleich für eine Waffe entscheiden. Von Luftgewehr und Luftpistole über Zimmerstutzen, unterschiedliche Sportgewehre- und Pistolen bis hin zur Armbrust reicht dabei das Angebot, das die Schützenvereine abdecken. Ausprobiert werden die Waffen nicht sofort: Als Erstes werden die Jugendlichen zum verantwortungsvollen Umgang mit den Sportgeräten – Luftdruckgewehr oder Luftpistole – angehalten.
„Wir Sportschützen sind gesetzestreue Bürgerinnen und Bürger. Bei der Schützenjugend wird man ‚spielend‘ an notwendige Disziplin – auch im Umgang mit den Sportgeräten –, an Kameradschaft und Demokratieverständnis herangeführt. Gerade junge Leute in den Schützenvereinen müssen sich Disziplin aneignen, schon allein im fachgerechten und verantwortungsvollen Umgang mit den verwendeten Sportgeräten wie mit Pistole, Revolver, Armbrust und Gewehr“, erklärt HSSV-Hof Vorsitzender Dieter Weiß. „Im Schießstand herrschen knallharte Regeln, die kompromisslos eingehalten werden müssen. Dafür geht es außerhalb sehr familiär zu“, ergänzt Günter Hornung. Und das ist auch beim Pistolentraining am Samstagnachmittag zu spüren: Während in der Garderobe noch alle Jugendlichen miteinander herumalbern, kehrt mit Betreten des Schießstands absolute Ruhe und Konzentration ein.
Doch wie läuft ein Jugendtraining ab? Wird in dessen Rahmen zwei Stunden lang auf Scheiben geschossen? „Nein!“, lacht Günter Hornung. „Neben dem Schießen trainieren wir zum Beispiel, den Arm mit der etwa ein Kilogramm schweren Pistole waagrecht zu halten und machen Konzentrationsübungen und Spiele, die immer einen Bezug zum Schießen haben und bei denen auch die Schwächeren mal eine Chance haben, zu gewinnen.“
„Die Schützen brauchen neben technischen Fertigkeiten auch feste Nerven, einen gestählten Willen, Konzentration und Kondition um gerade in den olympischen Disziplinen mit Pistole und Gewehr die Qualifikationen bis hin zur Deutschen Meisterschaft zu erreichen“, so Dieter Weiß. Doch ist das Schießen nicht ganz unumstritten – vor allem seit den Amokläufen von Schützen an verschiedenen Schulen in ganz Deutschland.
„Dazu muss man wissen: Die meisten derartigen Vorfälle haben sich mit illegalen Waffen ereignet, die mit Schützenvereinen gar nichts zu tun haben. Und ich bin mir sicher, dass diese Amokläufer nie einen Schützenverein von innen gesehen haben, sonst hätten sie nicht so gehandelt, weil sie von klein auf den richtigen Umgang mit Waffen lernen.“, sagt Günter Hornung. Außerdem nehmen die meisten Schützen ihre Sportwaffen nicht mit nach Hause, sondern nutzen vereinseigene Waffen, die im Vereinsheim verwahrt werden. „Waffenbesitz ist in Deutschland eh erst ab 18 Jahren erlaubt“, so der Jugendleiter.
Und wie kommt der Schieß-Sport bei Gleichaltrigen der Jugendlichen an? „Die anderen finden es cool! Sie denken zwar meist zuerst an Maschinengewehre, und man muss ihnen erklären, womit man wirklich schießt, aber insgesamt habe ich bisher nur positive Reaktionen erlebt“, sag Katharina Opel. Die 16-jährige Gymnasiastin kam bereits vor fünf Jahren über Freunde zu den Schützen. Erst seit einem Jahr dabei ist die ebenfalls 16-jährige Svenja Brzeski. Sie hat schon immer am Volksfest gern geschossen und wurde dann von Katharina, die sie vom Tanzen kennt, mit zu den Schützen gebracht. Am Schießen fasziniert die beiden Mädchen zum einen die Konzentration, die dieser Sport erfordert, vor allem aber – und darin sind sich beide einig – die gute Atmosphäre: „Das passt halt einfach!“
Weitere Informationen unter www.hssv-hof.de. Christine Wild